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Aktives Fühlen

Aktives Fühlen

Von

Mieke Mosmuller

26-08-2015 7 Kommentare Print!
Das erste, das wir erreichen müssten, ist also das Erwachen im Denken, um imstande zu sein, zu sehen, was die Engel in unserer Seele tun – und so zu verhindern, dass wir instinktive ‚Teufel’ werden. Doch das Entwickeln einer neuen Art, zu denken, ist nicht genug. Das Vermögen, zu fühlen, muss ebenfalls durch eine energische Selbsterziehung erzogen werden.

Im Leben des Alltags kommen Gefühle in uns auf, ohne dass wir in deren Hervorbringen bewusst aktiv sind. In unseren Gefühlen sind wir ein leidender Gegenstand, sie werden in uns geboren, obwohl sie doch auch als subjektiv erlebt werden – und das sind sie auch. Durch die Gefühle beziehen wir alles auf uns selbst. Aber sie überkommen uns, wir bringen sie nicht selbst hervor.

Das ist nun genau das, was wir in der Zukunft entwickeln werden müssen: Nur dasjenige zu fühlen, was wir selbst fühlen wollen. Eine Art Wahl aus der Palette möglicher Gefühle werden wir lernen müssen, sodass wir zum Beispiel nie mehr deprimiert sein werden. Eine Form von Energie muss in unsere Gefühle kommen. Das bedeutet nicht, dass wir nie mehr betrübt wären, doch was wir nie mehr wären, das ist: betrübt über uns selbst. Die Depression aus Selbstmitleid wäre überwunden. Auf der anderen Seite würden wir auch nicht unkontrolliert vor Freude außer Rand und Band geraten, wir würden wissen, wie diese Freunde in der Hand behalten werden kann, sodass sie auch wirklich freudevoll bleibt.

Um dies zu erreichen, müssen wir unser Wissen in Bezug auf das aufbauende Fühlen vertiefen. Es ist ein mystisches Sich-Vertiefen in die wunderbare Welt des Gefühls.

Der moderne Mensch hat dieses Wissen ganz verloren, er weiß nur noch etwas über zwei Arten von Gefühlen: Sympathie und Antipathie, oder Freude und Traurigkeit, oder Lust und Unlust. Das sind alles subjektive Gefühle, die uns überkommen, während wir ein Objekt dieser Gefühle sind.

Doch es gibt eine ganze Welt von Gefühlen, die zu der Polarität von Sympathie und Antipathie gehören und die wir studieren können, indem wir sie mystisch zu empfinden lernen. Wir müssen ein Vermögen dafür entwickeln, diese Gefühle zu verstärken, sie zu übertreiben, während wir sie jedoch völlig in der Hand haben. Denn wenn wir versuchen, die Gefühle zu fassen, scheinen sie immer vage zu sein, nicht so wohlumgrenzt wie ein Gedanke. Sind wir aber einmal in einem aktiven Denken wach geworden, das völlig frei von uns selbst ausgeht, dann können wir auch die Gefühle fassen und sie zum Reifen bringen.


In der Zeit des deutschen Idealismus, am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert, erreichte dieses Vermögen, die Idee zum Ideal wachsen zu lassen, einen Höhepunkt. Der Idealismus metamorphosierte sich in Romantizismus – und in dessen reiner Form finden wir genau das, was wir brauchen, um ein ‚Meister im Gefühl’ zu werden.

Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn,
dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen,
dem Bekannten die Würde des Unbekannten,
dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe,
so romantisiere ich es.

Diese Sätze stammen von dem Dichter Novalis (Friedrich von Hardenberg, 1772 -1801), der als Dichter ein Meister im Romantisieren ist.
Wir können auch erhabene Gefühle als Stoff für die Meditation nehmen – wie Verwunderung und Hingabe.

Aktives Fühlen
Ein Objekt, um die Gefühle der Verwunderung zu üben.Aktives Fühlen Von Mieke Mosmuller

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Kommentare
  • Von Rainer Herzog @
    "Das ist nun genau das, was wir in der Zukunft entwickeln werden müssen: Nur dasjenige zu fühlen, was wir selbst fühlen wollen" Bei allem Respekt und Hochachtung vor Novalis: Dem würde ich nicht zustimmen. Damit manipuliert man sein Fühlen, man macht etwas mehr oder weniger künstliches mit ihm, was leider auf dem anthrop. Schulungsweg gang und gäbe ist. Es kann m.E. viel sinnvoller sein, gegenüber dem Fühlen eine Haltung des "Geschehenlassens" zu erzeugen: Ein Gefühl taucht auf, irgendeins, auch ein "negatives" und ich greife nicht ein, ich mache nichts mit ihm. Ich gebe ihm vielmehr Raum, sich "auszufühlen" - wenn mir das gelingt, taucht "hinter" oder "unter" den Gefühl etwas tieferes auf, Stille oder Frieden.
    • Von Mieke Mosmuller @
      Ja, selbstverständlich haben Sie da recht, aber dieses Fühlen gibt es nicht mehr von selbst. Alle Passivität, auch im Fühlen in erster Linie, öffnet uns für das Persönliche. Um darüber hinaus zu kommen brauchen wir ein 'aktiviertes Fühlen', das sich erst eine aktive Passivität leisten kann, und das dadurch das Andere durch sich hindurch strömen lassenkann. So verstehe ich das Romantisieren von Novalis - und auch von Steiner. Dann tritt ein, was Sie in Ihren letzten Zeilen beschreiben. Dass es da viel Missgelingen gibt möge klar sein - denn das Persönliche ist im Gefühl sehr stark und meistens als Persönliches unerkannt.
  • Von Theophil Urech @
    Es ist nötig, die Region, aus der uns die manchmal geballte Ladung der Gefühle bestimmt, zu verwandeln, zu verwandeln in die betrachtende, ruhige Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeit, die die Grundlage gibt für das "Blütenland" des fühlens. Gebändigte Drachenkraft, eine Art Gralsschale.
    Noch ein Gedicht von Gottfried Keller 1819 - 1890,von 1846. Erster Schnee. (Katharsis, Läuterung.)
    Zu finden unter. Gottfried Keller, erster Schnee.
    • Von Mieke Mosmuller @
      Man darf sich nur hingeben in so weit man sich selbst erkennt. Das ist im Fühlen erst über die Läuterung und Aktivierung des Denkens möglich, sonst weiß man nicht was man hingibt. Aber es gibt vereinzelte Wanderer auf Erden ,die mit einem solchen geläuterten Gefühl geboren sind, dass sie direkt in der Hingabe leben können.... Das wissen sie selbst in aller Klarheit.
  • Von Gerheart Bandorf @
    Sehr geehrte leibe Frau Mosmuller,

    die Hauptkunst (ich schreibe bewußt nicht: das Hauptproblem) ist, Gefühle ebenso in die wahrnehmende Betrachtung zu bringen, wie es beim Denken der Fall sein sollte, wenn man leibfrei zu denken sich befleißigt. Ein Wesentliches dabei ist es, im Wahrnehmen von Gefühlen diese durchaus zu empfinde. Insofern sehe ich Ihre Aussage, „Das ist nun genau das, was wir in der Zukunft entwickeln werden müssen: Nur dasjenige zu fühlen, was wir selbst fühlen wollen“, kritisch. Worum es beim beobachtenden Gewahrwerden von Gefühlen resp. Emotionen ankommt, ist, ihnen gegenüber die notwendige Distanz einzurichten, die zu Beobachtung notwendig ist. Das ist ein emanzipatorischer Akt, ein Akt der Freiheit, nämlich der luziferisch-ahrimanischen Plausibilität von Gefühlen, den Zwangscharakter – man könnte auch sagen, den Verführungscharakter zu nehmen.
    Eine weitere Frage ist ja die, a.) wo sind sie sozusagen ansässig? und b.) woraus und wie gestalten sich Gefühle?
    Es kann gesagt werden, daß Gefühle ihre „Ansässigkeit“ nicht außerhalb des Menschen haben, sie kommen aus keinem externalen „Off“ über den Menschen.
    Die leibliche Grundlage des Menschen, seine Organanlagen, seine Organ-Cluster sind es, welche die Provenienz der Gefühle sind - die Ansässigkeit des Unbewußten. Die leibliche Grundlage des Menschen ist dasjenige, was einerseits als kollektive Grundlage das Menschliche des Leibes dem Grunde nach ist, und andererseits dasjenige, was durch die Individualität gemäß ihres Wesens davon ergriffen und individualisiert wird. So haben wir in der leiblichen Grundlage sowohl ein kollektives Unbewußtes als auch ein Individualisiertes als Unbewußtes vorliegen.
    Die Individualisierung erfolgt durch Prägungen in zwei Hauptrichtungen: die eine ist diejenige, die durch das Wesen des Einzelnen im Inkarnationsvorgang als Umwandlungswille, als Individualitätswille, sich vollzieht; die andere ist diejenige, welche sich durch – gemäß der durch das Wesen des Einzelnen gegebenen, vorgeburtlichen, „mitgebrachten“ Affirmationen resp. Neigungen aus äußeren Anregungen und Anstößen als Prägungen den Organen vermittelt.
    Emotionen sind mannigfaltige, sich seelisch äußernde Affizierungslagen d.h.: Reaktionen entsprechender Organanlagen. Damit ist ihnen stets ein Vergangenheitsimpuls immanent als das unbewußte treibende Agens zur Aktion.
    Worauf es ankommt ist, sich durch entsprechende Übungen zu befleißigen, sich von diesen Affizierungen in ihren ihnen innewohnenden, durchschlagenden Plausibilitäten, welche im gewöhnlichen Alltagsleben als Assoziationen und intellektuelle Kombinatorik mittels der Eigentümlichkeit der Verstandesseele auftreten, zu emanzipieren. (Die Verstandesseele betätigt sich hierbei, auf dieser Stufe, ansonsten gleichsam nur als eine Art sortierende Verwalterin und Archivarin von organ-gegründeten Affizierungen.)
    Dies macht jedoch – entgegen Ihrer Ansicht „…Nur dasjenige zu fühlen, was wir selbst fühlen wollen“, einen grundlegenden Unterschied bezüglich der Methodik. Der hier von mir (hier sehr fragmentarisch) angedeuteten Ansicht nach geht es ganz besonders darum, sich des Mysteriums des menschlichen Leibes bewußt zu werden – individuell als auch inbezug auf die kollektive Grundlage; insbesondere auch inbezug auf diejenigen Aspekte dessen, was leibliches, physisch-materielles Leibwesen als das Vaterprinzip ist.

    Mit freundlichen Grüßen!

    • Von Mieke Mosmuller @
      Sehr geehrter Herr Bandorf,

      Das sehe ich alles ganz und gar nicht so, und erlebe es auch nicht, obwohl ich bei vielen Menschen bemerke, dass sie unter 'Fühlen' Leibesempfindungen verstehen. Auch das Fühlen kann durchwollt werden und leibfrei werden. Das Mysterium des menschlichen Leibes lässt sich nicht durch Fühlen objektiv erkennen, sondern durch bis zur Imagination gesteigertes Denken. Wir werden uns wohl nicht einig werden... Das lässt sich in wenigen Zeilen auch nicht machen. Aber dass der Mensch sich außerhalb seines Denkens, Fühlens und Wollens einen neuen Standpunkt erobern muss - ja, darin sind wir uns einig. Freundliche Grüße!
      • Von G. Bandorf @
        Sehr geehrte liebe Frau Mosmuller,

        ich war mir eigentlich sicher, daß Sie meinem Kommentar n i c h t entnehmen könnten, ich hätte darstellen wollen, daß Empfinden sich in Leibesempfindungen erschöpft. Darum schrieb ich ja auch Anfangs, daß Gefühle ebenso in die wahrnehmende Betrachtung zu bringen sind, wie das beim Denken der Fall sein sollte, wenn man leibfrei zu denken sich befleißigt.
        In Bezug auf daß verstehen wollen des Mysteriums des menschlichen Leibes, ist selbstredend denkendes Erkennen eine Voraussetzung – und zwar denkendes Erkennen der Empfindungen, woraus Imagination erwächst. Ich sehe da keinerlei Uneinigkeit.
        Mit herzlichen Grüßen!