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Blick auf den Geist

Blick auf den Geist

Von

Mieke Mosmuller

14-10-2015 2 Kommentare Print!
Die Idee der Idee ist etwas sehr Besonderes. Es ist nicht nur eine neue Idee inmitten anderer Ideen. Alle Begriffe, alle Ideen, die wir haben und die wir formen können, sind da, um zu begreifen, was wir wahrnehmen können. Sie stehen uns gleichsam ganz zur Verfügung.
Gleichzeitig sind wir mit Sinnen begabt, sie sind für uns da, um alles um uns herum und auch in uns wahrzunehmen. Wahrnehmung und Denken sind zwei ganz verschiedene Dinge, die, wenn sie zusammengebracht werden, unser Wissen formen.

Aber bei dem Formen der Idee der Idee geschieht etwas ganz Neues. Mit welchem Sinn nehmen wir das Denken wahr? Wie formen wir die Idee dieser Wahrnehmung? Es ist das Denken selbst, das als ein Sinn wirkt, wenn wir versuchen, das Denken wahrzunehmen. Ich meine natürlich nicht das Wahrnehmen von Gedanken, denn das ist etwas, was wir fortwährend tun, sonst würden wir nicht wissen, was wir denken. Die Idee der Idee ist die Idee des Denkens als eines Ganzen, in seiner umfassenden Wirksamkeit. Aber das Sinnesorgan, das diese Wahrnehmung möglich macht, ist das Denken selbst.

Und doch war diese Idee des Denkens vorher nicht da. Es ist nicht ein natürlicher Prozess, der im gewöhnlichen Erdenleben auftritt. Es tritt niemals spontan auf. Es ist ein Schritt, der mit dem Willen gesetzt werden muss, weil wir ihn setzen wollen. Und wenn wir das tun, realisieren wir, dass etwas Wunderbares geschieht: Zum ersten Mal in unserem Leben sieht das Begriffsdenken das Begriffsdenken. Begreifen sieht Begreifen – es sieht sich selbst. Und weil Begreifen unmittelbar durch das Begreifen begriffen wird – wir brauchen keine Begriffe von etwas zu formen, was bereits Begriff ist, wir sehen es begreifend –, haben wir eine völlig bewusste, unmittelbare Intuition des Denkens selbst: wir haben die Idee der Idee gefunden.

Es ist nicht etwas Äußerliches, das erst wahrgenommen werden muss und worüber dann nachgedacht werden muss. Das Denken selbst zeigt sich durch das Denken. Es ist kein philosophisches Spiel, das hier gespielt wird, es tritt eine Tatsache auf, es geschieht etwas. Es ist das Wichtigste, was geschehen kann, und wir wissen, dass es die erste Tatsache ist, die wir selbst hervorgebracht haben, ohne Vermittlung von was auch immer, und dass es nicht da sein würde, wenn wir es nicht selbst durch unseren freien Willen zum Leben gebracht hätten.
Aber es ist nicht nur eine Tat freien Willens, es ist zugleich eine Umkehr unseres Blickes, von der Welt der physischen Sinne auf das Physische, zur spirituellen Welt, die das Denken selbst ist.

Die Ideen existieren immer in uns, weil wir sie geformt haben, aber das Ding, das wahrgenommen wird und worüber gedacht wird, bleibt außerhalb unseres Denkens. Wenn wir jedoch das Denken selbst wahrnehmen, was dann zugleich bedeutet, dass wir es begreifen, dass wir dessen Idee haben, dann ist das Ding, das wahrgenommen wird und gedacht wird, ganz und gar ein und dasselbe wie unser Geist. Es ist in unserem Geist, es ist unser Geist.


‚Bei der Beobachtung des Denkens durchschaut der Mensch das Weltgeschehen. Er hat hier nicht nach einer Idee dieses Geschehens zu forschen, denn dieses Geschehen ist die Idee selbst. Die sonst erlebte Einheit von Anschauung und Idee ist hier Erleben der anschaulich gewordenen Geistigkeit der Ideenwelt. Der Mensch,der diese in sich selbst ruhende Tätigkeit anschaut, fühlt die Freiheit.’ (R. Steiner, Goethes Weltanschauung).
 
Blick auf den Geist
Erzengel MichaelBlick auf den Geist Von Mieke Mosmuller

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Kommentare
  • Von @
    Danke für diese wunderbaren Zusammenfassung, liebe Mieke. Damit ist die Essenz der Anthroposophie auf den Punkt gebracht. Ich könnte es nicht verstehen, wenn ich es nicht schon in jahrzehntelanger Forschung weitgehend verstanden hätte. Und in dem zitierten Satz von Rudolf Steiner, den ich schon sehr oft gelesen habe, hätte ich es in 100 Jahren nicht verstanden. Ich weiß, dass es vielen gutwilligen
    Steiner-Lesern auch so geht (bei allem Respekt). Darum ist das, was Du für uns leistet so wichtig - wie ich finde.
    Eine Frage habe ich dazu: Auf welche Weise geschieht die Wahrnehmung nicht sinnlicher Gegebenheiten wie Wahrheit, Würde, Gerechtigkeit, Weisheit...? Haben wir dafür auch "Sinne"?
    Ganz herzliche dankbare Grüße! Margareta
    • Von Mieke Mosmuller @
      Sicher haben wir dafür Sinne, die sind zuerst in einem 'Ursinn', einem inneren Sinn gebündelt, und gehen dann über in die differenzierte Chakra's. Der innere Sinn wurde von Steiner großartig beschrieben in der Einleitung des Buches 'Die Mystik....', eine spirituelle Weiterführung des Ausnahmezustandes.