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Das objektive Ich

Das objektive Ich

Von

Mieke Mosmuller

12-11-2014 2 Kommentare Print!
Wer in sich selbst genau darauf achtet, wird mir sicher folgen können, wenn ich sage, dass der Mensch in sich selbst eine objektive Instanz trägt. Dies ist nicht das Ego, das nur zutreffend denkt, fühlt und handelt, das erfüllt ist von Meinungen und Urteilen, von Antipathien und Sympathien, von Handlungen mit einem harten Ziel. Nicht das Ego, das Lust fühlen will, koste es, was es wolle.

Es gab einmal eine Zeit, in der der Mensch fand, er müsse ein Gewissen haben. Darin sah man eine höhere urteilende Instanz im Menschen selbst. Also nicht einen Gott überhalb des Menschen, sondern eine innere Anwesenheit einer “Ordnung”, die man dennoch als sich selbst betrachtet. Natürlich gibt es dieses innere Gewissen noch immer. Es ist nur nicht so populär, es zu haben, zuzugeben, dass man es hat. Es besteht jedoch nicht nur aus Moralprinzipien. Es ist ein bewegliches “Nachher”-Gefühl, etwas, was Aufschluss über den Wert der eigenen Gedanken, Gefühle und Taten gibt. Und man hat dabei nicht das Gefühl, dass es jemand anders ist, der urteilt, als man selbst. Aber das Urteil ist sehr wohl objektiv, es wird aus einem außer-egoistischen Standpunkt heraus empfunden.

Wer hat nicht tief in sich die Überzeugung, dass er eigentlich nicht glücklich sein kann, wenn der Andere unglücklich ist? Auch wenn man egoistisch lebt und ausschließlich nach Besitz strebt, gibt es dennoch etwas in einem, dass dies verurteilt – und ist man dann doch wirklich auch selbst. Wer sieht nicht in jedem Mitmenschen doch auch ein erhabenes Etwas? Auch wenn man jeden kritisiert, um sich selbst zu behaupten, in tieferer Hinsicht weiß man es besser – und das ist man wirklich selbst. Warum würde dieser moralische, weise Mensch, der man selbst ist, nicht innig von der Existenz Gottes und des Geistes überzeugt sein? Natürlich ist man das, doch vielleicht will man seine eigene Stimme nicht mehr hören...

Wie es auch sei, jeder Mensch hat ein Urteil über sich selbst. Das kann zwar an sich wiederum stark egoistisch gefärbt scheinen, kann krampfhaft etwas aus sich selbst machen wollen, was unmöglich ist. So kann es scheinen, doch das ist nicht die Instanz, die hier gemeint wird. Selbst dieses Krampfhafte wird von jener höheren Instanz wahrgenommen, und es werden Impulse geboren, um auf eine andere Weise mit “sich selbst” umzugehen.

Mit einiger Mühe wird jeder das objektive Ich in sich finden können. Es weiß, was gut ist, was wahr ist, was geliebt werden müsste – aber es spricht nicht laut genug. Es liegt begraben unter Mode, Trends, Wissen von allerlei Art – und es lässt sich nicht so einfach ausgraben. Wir müssen einen Punkt finden, wo es immer zu finden ist, bei jedem, der dies will, ohne Ausnahme.


Ein lehrreicher Prozess ist der Zweifel. “Man” weiß nicht, ob man das eine oder das andere tun will. Wenn das ich nur subjektiv wäre, würde es nie zu zweifeln brauchen. Es gibt ein “Ich”, das über den Parteien steht und das mehrere Möglichkeiten bedenken kann. Ein Tier zweifelt nicht, es zögert nicht, es ist wachsam, das wohl. Zweifel aber ist eine menschliche Eigenschaft, die mit dieser Möglichkeit einer inneren Meinungsverschiedenheit zusammenhängt. Soll ich dies tun oder das? Ist dies richtig oder das? Ist dies wahr oder das? Wenn man “verzweifelt” ist, kommt immer ein Augenblick, wo der Zweifel der Sicherheit weichen muss. Das ist der Durchbruch des objektiven Ich, so, wie es auch bei jeder Einsicht durchbricht.

Das objektive Ich
Mosaik in Pompeï,  Die Platonische AkademieDas objektive Ich Von Mieke Mosmuller

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Kommentare
  • Von Siep Grondman @
    Dag Mieke,
    Wat een prachtige serie uiteenzettingen in je blogs: krachtig - kernachtig - en kreatief in je fijngevoelige woordkeus. Ik kijk er echt naar uit en vind ze van een bijzondere spirituele wijsheid getuigen. Wat een geschenk dat je dit schrijft! met groet, Siep Grondman
    • Von Mieke Mosmuller @
      Dank voor je woorden, Siep! Hartelijke groet, Mieke