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Der Nachtmensch und der Tagesmensch

Der Nachtmensch und der Tagesmensch

Von

Mieke Mosmuller

24-07-2019 0 Kommentare Print!

Das Zitat von letzter Woche wird durch Folgendes ausgeglichen. Natürlich können wir mit rein intellektuellem Denken nicht Rudolf Steiners Werk weiterdenken, aber wir müssen etwas mit unserem Denken unternehmen. Ich werde versuchen, dies mit diesem Zitat und dem Zitat von nächster Woche zu untermauern. Rudolf Steiner:


In das reine Denken kann das Ich-Wesen hineingeschoben werden ERSTER VORTRAG, Dornach, 3. Februar 1923, S. 32 ff (GA 221).

'Für den modernen Menschen hat es einen Sinn bekommen, zu sagen: Ich schlafe im Nichts. Ich bin nicht nichts, indem ich schlafe, ich behalte während des Schlafens mein Ich und meinen astralischen Leib. Ich bin nicht nichts, aber ich reiße mich aus der ganzen Welt heraus, die ich wahrnehme mit meinen Sinnen, die ich begreife mit meinem wachen Verstande. Ich reiße mich während des modernen Schlafes auch heraus aus der Welt, die zum Beispiel Jakob Böhme in besonderen, abnormen Bewußtseinszuständen gesehen hat mit den feineren Kräften des physischen und Ätherleibes, die er sich noch mitgenommen hat in seine Schlafzustände. Der moderne Mensch reißt sich heraus während des Schlafens nicht nur aus seiner Sinneswelt, sondern auch aus der Welt, welche die Welt des alten Hellsehers war. Und von der Welt, in der dann der Mensch darinnen ist vom Einschlafen bis zum Aufwachen, da kann er ja nichts wahrnehmen, denn das ist eine Zukunftswelt, das ist die Welt, in die sich die Erde verwandeln wird in jenen Zuständen, die ich in meiner «Geheimwissenschaft» als Jupiter-, Venus-, Vulkanzustand beschrieben habe. So daß in der Tat der moderne Mensch, der auf das intellektualistische Denken dressiert ist - verzeihen Sie den Ausdruck -, während des Schlafes im Nichts lebt. Er ist nicht nichts, ich muß es immer wieder betonen, aber er lebt im Nichts, weil er das, worin er lebt, die Zukunftswelt, eben noch nicht erleben kann. Die ist für ihn noch nichts. Aber gerade dadurch, daß der moderne Mensch im Nichts schlafen kann, wird ihm seine Freiheit garantiert; denn er lebt sich ein vom Einschlafen bis zum Aufwachen in die Befreiung von aller Welt, in das Nichts. Er wird gerade während des Schlafes unabhängig. Das ist sehr wichtig einzusehen, daß die besondere Art, wie der moderne Mensch schläft, ihm die Garantie für seine Freiheit gibt. Der alte Hellseher, der noch von der alten Welt wahrnahm, nicht von der Zukunftswelt, der von der alten Welt wahrnahm, der konnte kein völlig freier Mensch werden, denn er wurde abhängig in diesem Wahrnehmen. Das im Nichts Ruhen während des Schlafes macht den modernen Menschen, den Menschen der modernen Zeit eigentlich frei. So sind zwei Gegenbilder vorhanden für den modernen Menschen. Erstens lebt er während des Wachens im Gedanken, der ein bloßer Gedanke ist, der nicht mehr Bilder enthält im alten Sinne; die hält er, wie gesagt, für Mythologie. Und er lebt während des Schlafes in der Nichtigkeit. Dadurch befreit er sich von der Welt, dadurch erringt er sich das Bewußtsein der Freiheit. Die Gedankenbilder können ihn nicht zwingen, weil sie bloße Bilder sind. Geradesowenig wie die Spiegelbilder zwingen können, irgend etwas verursachen können, geradesowenig können die Gedankenbilder von den Dingen den Menschen zu etwas zwingen. Wenn daher der Mensch seine moralischen Impulse in reinen Gedanken ergreift, so muß er sie als ein freies Wesen befolgen. Keine Emotion, keine Leidenschaft, kein innerlich körperlicher Vorgang kann ihn veranlassen, jenen moralischen Impulsen zu folgen, die er in reinen Gedanken zu erfassen in der Lage ist. Aber er ist auch imstande, diesen bloßen Bildern in Gedanken zu folgen, diesem reinen Gedanken zu folgen, weil er sich während des Schlafes, befreit von allen Naturgesetzen in seinem eigenen Körperlichen, findet, weil er wirklich während des Schlafes eine reine freie Seele wird, die dem Nichtwirklichen des Gedankens folgen kann; während der ältere Mensch auch während des Schlafes abhängig blieb von der Welt und daher nicht hätte folgen können unwirklichen Impulsen. Fassen wir das zunächst ins Auge, daß der moderne Mensch dieses Zweierlei hat: reine Gedanken haben kann, die rein intellektualistisch konzipiert sind, und einen in der Nichtigkeit zugebrachten Schlaf, wo er drinnen ist, wo er ein Wirkliches ist, aber wo seine Umgebung ihm ein Nichtiges zeigt. Denn nun kommt das Wesentliche. Sehen Sie, es ist nun auch einmal in der Natur des modernen Menschen begründet, daß er durch alles das, was er da durchgemacht hat, innerlich willensschwach geworden ist. Das will der moderne Mensch gar nicht wahr haben, aber es ist so: Der moderne Mensch ist innerlich willensschwach geworden. Wenn man nur wollte, würde man das auch geschichtlich begreifen können. Man soll nur einmal hinschauen auf mächtige geistige Bewegungen, die sich früher ausgebreitet haben, mit welchen Willensimpulsen zuweilen, sagen wir, Religionsstifter durch die Welt gewirkt haben. Diese innerliche Willensimpulsivität ist der modernen Menschheit verlorengegangen. Und deshalb läßt sich der moderne Mensch zu seinen Gedanken von der Außenwelt erziehen. Er betrachtet die Natur, bildet an den Naturvorgängen und Naturwesen seine bloßen intellektualistischen Gedanken aus, wie wenn sein Inneres wirklich nur ein Spiegel wäre, der alles spiegelt. Ja, der Mensch ist schon so schwach geworden, daß er eine heillose Angst bekommt, wenn irgendeiner Gedanken aus sich produziert, wenn er Gedanken nicht bloß abliest an demjenigen, was die äußere Natur darbietet. So daß sich zunächst das reine Denken in ganz passiver Weise in dem modernen Menschen entwickelt hat.'

Mieke Mosmuller

Der Nachtmensch und der Tagesmensch Von Mieke Mosmuller

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