Home
>
Blog
>
Die Ur-Frage und die Ur-Antwort

Die Ur-Frage und die Ur-Antwort

Von

Mieke Mosmuller

31-08-2016 1 Kommentare Print!

'Wir haben die erste Frage gefunden, die Frage, womit die Philosophie beginnt. Und die Antwort auf diese Frage haben wir nicht abstrakt und bezweifelbar gefunden, sondern als eine unentrinnbare Tatsache, gegründet auf Erfahrung im innerlichen über-subjektiven und über-objektiven Denken.


Die Antwort ist das Gewahrwerden des Ich als Initiator des Denkens. Dieses Ich lebt in einem Kraftquell, von wo Denken als Metamorphose des Ich ausströmt. Doch mit dieser ultimen Antwort leben wir in einer Welt, in der wir in das Nichts tasten. Wir können unseren Willen im Denken bis zum Äußersten entfalten, wir können das Denken gänzlich wollen und lernen es dann auch durch und durch kennen. Aber wir haben keinen Inhalt, den wir in unserer von den Sinnen abgewandten innerlichen Aktivität denken könnten, der nicht stets wieder uns selbst umfasst.
Alles, was wir denken, sind wir immer wieder selbst.

Nur eine völlige innerliche Umkehr kann hier aus der Einsamkeit erlösen.
Der Mensch lebt in seinem aktiven Denken in einer Antwort. Das selbst erweckte Denken ist ganz und gar Antwort, ist Ur-Antwort. An diesem Punkt angekommen, müssen wir diese Antwort zum Schweigen bringen, in eine Ur-Frage umformen, in das Fragen selbst.
Das lebendige Denken, das wir sind, muss lebendige Frage werden, ganz und gar Frage, ganz und gar Zurückhaltung.

So wird unser Ich zur Frage, nicht eine Frage nach diesem oder jenem, sondern die Frage als Ausdruck von Sehnsucht. In den Worten von Novalis: ‚Das schönste Geschenk des Menschen ist die Sehnsucht seiner Seele.’

Diese innerliche Haltung, die im lebendigen Denken zu einem konkreten Geschehen wird – die ganze Seele wird fragende Sehnsucht in geduldiger Erwartung – ist die Vollendung der Philosophie; der Mensch ist ganz Liebe zu Sophia. Nicht nur lebt in der Seele kein Gedanke mehr, es lebt darin auch keine Antwort mehr, die ganze Seele ist in vollem Bewusstsein fragende Sehnsucht.
So kniet der Mensch – nicht mit dem Körper in der Kirchenbank, sondern – mit seinem zur Kraft gewordenen Ich in seiner schweigenden Seele und wird Gebet.´

‚Der ewigen Weisheit Gottes,
Dem Spiegel ohne Makel,
den die Cherubim und alle seligen Geister
mit ewiger Verwunderung anschauen,
Dem Lichte, welches alle Menschen erleuchtet,
die in diese Welt kommen,
Dem unerschöpflichen Brunn und
ursprünglichen Quell aller Weisheit
Schreibet zu und richtet wiederum in Ihn hin
Diese aus dessen großem Meere
gnädiglich hergeronnene kleinen Tröpflein.
Sein vor unablässigem Verlangen Ihn zu schauen
allzeit sterbender Johannes Angelus.’

Angelus Silesius, Zuschrift zu ‚Cherubinischer Wandersmann’.

Aus: Mieke Mosmuller, Suche das Licht, das im Abendland aufgeht, Epilog.

Die Ur-Frage und die Ur-AntwortDie Ur-Frage und die Ur-Antwort Von Mieke Mosmuller

Geben Sie einen Kommentar





Kommentare
  • Von Maureen Havas-D'Andrea @
    To BE IN this prayer is my heart's longing.
    Thank you for your thoughts. They provide me with thought nourishment.