Der zweite Abend in Zeist war der Verwandlung von Eros in Agape gewidmet. Wiederum wollte ich zum Ausdruck bringen, wie unaussprechlich und unerklärlich die Liebe ist, und ich nahm die Schriften von Dionysius Areopagita auf, um zu zeigen, dass die Liebe so etwas wie Gott selbst ist, der mit dem Menschenverstand nicht verstanden werden kann, und der nicht in der üblichen Sprache beschrieben werden kann. Dionysius Areopagita soll Richter am Areopag in Athen gewesen sein, wo er eine Rede des Apostels Paulus hörte. Er wurde sein Lehrling. Er wurde selbst zum Lehrer der ätherischen Astronomie, die die Lehre der neun Himmlischen Hierarchien ist, und er kam zu einer Erklärung der Göttlichen Namen und Wörter. Aber am tiefsten bewegend ist seine mystische Theologie, auch bekannt als negative Theologie. Er führt uns zu den höchsten Begriffen, zu denen der Mensch fähig ist, und lässt uns die Ohnmacht erleben, diese zu übertreffen. Gott – und mit ihm die Liebe – ist in allem mehr als unsere Fähigkeit, mit Begriffen zu verstehen.
Erst im sechsten Jahrhundert n. Chr. wurden diese Lehren von einem damals lebenden "Dionysius" aus der mündlichen Überlieferung aufgeschrieben, in dem Wissen, dass diese Form des Überlieferns verschwinden würde. Dieser Schriftsteller wird daher als "Pseudo-Dionysius Areopagita" bezeichnet.
Zitat aus ‚Mystische Theologie‘:
‚V. Daß der Grund par excellence von allem Intelligiblen mitnichten zum Intelligiblen gehörtWiederum sagen wir, indem wir aufsteigen: er ist weder Seele noch Geist. Er hat weder Vorstellungskraft noch Meinung,noch Verstand noch Vernunft. Er ist nicht Sprache und nicht Verständnis. Weder wird er gesagt, noch wird er gedacht. Er ist nicht Zahl und nicht Ordnung, weder Größe noch Kleinigkeit, weder Gleichheit noch Ungleichheit, weder Ähnlichkeit noch Unähnlichkeit. Weder steht er, noch bewegt er sich, noch ruht er. Weder hat er Kraft, noch ist er Kraft. Nicht Licht. Weder ist er lebendig, noch ist er Leben. Er ist nicht Wirklichkeit, weder ewig noch zeitlich. Es gibt von ihm kein geistiges Erfassen. Er ist nicht Erkenntnis und nicht Wahrheit, weder Herrschaft noch Weisheit. Er ist nicht Eins und nicht Einheit, nicht Gottheit nicht Gutheit. Er ist nicht Geist, wie wir es kennen, nicht Sohnschaft, nicht Vaterschaft. Er ist nicht irgendetwas von dem, was uns bekannt ist, oder irgendeiner anderen Wirklichkeit bekannt ist. Er ist nichts, was bei den Unwirklichkeiten vorkommt, und nichts, was bei den Wirklichkeiten vorkommt. Die Wirklichkeiten kennen ihn nicht, wie er ist.Er kennt die Wirklichkeiten nicht, wie sie sind.Es gibt keinen Begriff von ihm, keinen Namen, keine Erkenntnis. Er ist nicht Finsternis und nicht Licht, weder falsch noch wahr. Es gibt von ihm überhaupt keine Affirmation und keine Negation; vielmehr, indem wir Affirmationen und Negationen über das, was nach ihm kommt, machen, weder affirmieren wir ihn, noch negieren wir ihn. Denn es ist sowohl so, daß die allesumfassende und einige Ursache von allem sich über jede Affirmation hinaus befindet, als auch daß die allesüberragende Ursache, die von allem absolut gelöst ist, und die jenseits von allen Ganzheiten liegt, sich über alle Negationen hinaus befindet.'
Dionysius Areopagita Von Mieke Mosmuller