In Antwerpen haben wir einen ganzen Tag diesem frühen Artikel von Rudolf Steiner geweiht. In den kommenden Wochen werde ich etwas von demjenigen, was wir erarbeitet haben, beschreiben. Zuerst ein Zitat:
'Die moderne Naturwissenschaft betrachtet die Erfahrung als die einzige Quelle zur Erforschung der Wahrheit. Und dies gewiß nicht mit Unrecht. Ihr Gebiet ist das Reich der äußeren räumlichen Dinge und zeitlichen Vorgänge. Wie sollte man über einen der Außenwelt angehörigen Gegenstand etwas ausmachen können, ohne ihn mittelst der Sinneswahrnehmung, das ist der einzigen Art, mit Räumlich-Zeitlichem in Berührung zu kommen, kennengelernt zu haben. Erst das Objekt kennenlernen und dann darüber theoretisieren, so lautet die Maxime, welche die moderne Wissenschaft gegenüber den spekulativen Systemen der Naturphilosophen vom Anfange dieses Jahrhunderts geltend macht. Dies Prinzip ist durchaus berechtigt, aber es hat durch eine irrige Auffassung die Wissenschaft auf Abwege geführt. Das Mißverständnis liegt in dem Charakter, welchen die induktive Methode und der aus derselben fließende Materialismus und Atomismus den Allgemeinbegriffen beilegen. Es kann für den Einsichtigen kein Zweifel sein, daß der jetzige Stand der Naturwissenschaft in ihrem theoretischen Teile wesentlich beeinflußt ist von Begriffen, wie sie durch Kant herrschend geworden sind. Wollen wir auf dieses Verhältnis näher eingehen, so müssen wir bei ihm unsere Betrachtung anheben. Kant schränkte das Gebiet der Erkenntnis auf die Erfahrung ein, weil er in dem durch dieselbe vermittelten sinnlichen Stoff die einzige Möglichkeit fand, die in unserer geistigen Organisation liegenden, an sich ganz leeren Begriffsschemen, die Kategorien, auszufüllen. Ihm war sinnlicher Gehalt die einzige Form eines solchen. Damit hatte er das Urteil der Welt in andere Bahnen gelenkt. Hatte man früher die Begriffe und Gesetze als der Außenwelt angehörig gedacht, hatte man ihnen objektive Geltung zugeschrieben, so schienen sie jetzt bloß durch die Natur des «Ich» gegeben. Die Außenwelt galt zwar bloß als roher Stoff, doch als dasjenige, welchem allein Realität zuzuschreiben sei. Diesen Standpunkt hat die induktive Wissenschaft von Kant geerbt. Auch ihr gilt die materielle Welt als das allein Reale, bei ihr sind Begriffe und Gesetze nur insoferne berechtigt, als sie jene zum Inhalte haben und das Erkennen derselben vermitteln. Über dieses Reich hinausragende Begriffe betrachtet sie als unwirklich. Allgemeine Gedanken und Gesetze sind ihr bloße Abstraktionen, abgeleitet von den bei einer Reihe von Beobachtungen erfahrenen Obereinstimmungen. Sie kennt bloße subjektive Maximen, Generalisationen, keine ihre Geltung in sich selbst tragenden, konkreten Begriffe. Dies muß beachtet werden, wenn man aus einer Menge dunkler Begriffe, die heutzutage im Umlauf sind, bis zur vollkommenen Klarheit hindurchdringen will. Man wird sich zunächst fragen müssen: was ist denn eigentlich Erfahrung, gewonnen an diesem oder jenem Objekte? In Werken über Erfahrungsphilosophie wird man vergebens nach einer sachlichen, befriedigenden Antwort auf diese gewiß berechtigte Frage suchen.'
Einfache Vorstellung eines Helium-Atoms. (Wikipedia)
Einzig mögliche Kritik der atomistischen Begriffe Von Mieke Mosmuller