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Epiphanie

Epiphanie

Von

Mieke Mosmuller

08-01-2020 5 Kommentare Print!
Der 6. Januar ist der Tag der heiligen drei Könige. Die drei Könige kommen aus dem Osten und reisen, geführt von dem Stern, nach Westen, um da „das Licht zu finden, das jeden Menschen erleuchtet“. Es ist zugleich der Tag der Feier der Epiphanie oder Offenbarung. An diesem Tag wird die Taufe von Jesus im Jordan gefeiert, durch Johannes den Täufer. Gefeiert wird, dass sein wahres Wesen offenbart wird. Von diesem Augenblick an begann seine große Aufgabe.

Früher habe ich einen Text über das Phänomen der Einsicht geschrieben. Begreifen ist ein wundersames Etwas. Wenn wir ein wissenschaftliches Problem oder ein Lebensproblem nicht verstehen, dann beginnen wir, darüber nachzudenken, wir beginnen eine Art Suche. Vielleicht finden wir nicht unmittelbar die Auflösung, vielleicht auch nie, aber meist finden wir in einem bestimmten Moment den Begriff, und wir fühlen die Erleichterung der Einsicht. Wir können zwar nicht ohne weiteres verfolgen, wie dieser Begriff entsteht, aber etwas ist deutlich genug: Er geht aus einem intensiven Denken, aus dem Stellen von Fragen im Inneren und einem aufmerksam Sein und Warten auf die Antworten hervor. Es ist ein wundersames Etwas, dieses Vermögen, zu begreifen.

Wir könnten uns nun vorstellen, dass es ein Wesen gibt, dass der Begriff von allem ist. Nicht ein Begreifen auf eine menschliche Weise, indem man erst wahrnimmt und dann begreift, sondern ein Begreifen, wobei alles, was existiert, zugleich geschaffen wird. Die Schöpfung ist der Logos.

Für den beschränkten Intellekt ist dies etwas ganz und gar Irrationales, und also muss es wohl zu fantastisch sein, um wahr zu sein. Aber wir könnten doch zumindest einmal versuchen, diesen großen Gedanken ein Mal zu denken. In den alten griechischen Termini könnten wir diese vollkommen kreative Einsicht als makrokosmisch-mikrokosmisches Wesen Logos nennen. Wir könnten unsere Logik dann als einen sehr armen und schematischen Abdruck eines Teils dieses großen Logos auffassen. In diesem Logos würden wir alle Einsichten und alle Begriffe finden können, und jede erlangte Einsicht würde eine Offenbarung des Logos sein. Wir könnten dies dann – ebenfalls in griechischen Worten – Epiphanie nennen. Das ist ein plötzlich realisiertes Begreifen, es kann auch ein wissenschaftlicher Durchbruch sein.


Wenn wir uns vorstellen können, dass jede kleine Epiphanie bedeutet, dass wir real in Berührung mit dem Logos kommen, dann würden wir dieses Vermögen, Einsicht zu haben, viel mehr auf eine religiöse Weise auffassen.

Wenn wir dann unsere Vorstellungen erweitern und versuchen, über diesen Tag des 6. Januar zu reflektieren, könnten wir einen sehr kostbaren Gedanken denken. Ein Mensch hat ab und zu eine kleine Epiphanie, eine wirkliche Einsicht. Am 6. Januar feiern wir die Ankunft des vollen, makrokosmischen Logos auf Erden, im Mikrokosmos von Jesus, der dadurch eine göttlich-menschliche Person wird, Christus Jesus. Es ist die Epiphanie in der vollen gloriosen Vollendung, wovon wir nur kleine Teilchen haben können, die uns in Gnade gegeben werden, der Gnade der Einsicht.
Die drei weisen Könige aus dem Osten repräsentieren die alte, aus Saba kommende Weisheit, die durch ein Vermögen individuellen Begreifens erneuert wird. Diese Erneuerung kommt zustande, findet ihren Anfang, indem der Logos auf Erden erscheint. Der große Thomas von Aquin hatte seine Epiphanie, als er in die Tiefe der Intelligenz des menschlichen Wesens schaute.

„Auch wird dem Menschen dadurch, durch die Menschwerdung Christi, ein gewisses Beispiel für jene selige Vereinigung gegeben, durch die der erschaffene Verstand mit dem unerschaffenen Geist im Verstehen vereinigt wird.“

Die Kantate von Johann Sebastian Bach für den ersten Sonntag im neuen Jahr hat als Thema die Ankunft der drei weisen Könige aus dem Osten. Es ist tief berührende Musik, aber man muss ihr sehr sorgfältig lauschen...

Mieke Mosmuller 
Ikone der Jordantaufe.



(Veröffentlichung vom 19.11.2014)

Epiphanie Von Mieke Mosmuller

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Kommentare
  • Von Theophil Urech @
    Liebe Frau Mosmuller,
    Ist es nicht das, sich lösen aus dem gewohnten, zu fragen , und dann eben auch die Haltung zu finden, dass das einleuchten kann, was später als Antwort erfassbar, verständlich wird.
    Versuchen wir das in einen kurzen Satz zu fassen, der gerne anschaulich werden, leben möchte.
    frag - würde leben, kontrolliert.
    Ich wünsche allen, besonders Frau Mosmuller eine gute Zeit und ein beschenktes tun.
    Theophil Urech

  • Von Robert Michael Burnside @
    Thanks so much Mieke, a wonderful post, celebratory of Epiphany.
    • Von Robert Michael Burnside @
      Here's another performance of Bach's Cantata of the Three Kings, this is by a Norwegian Choir and Orchestra and has the full Cantata of 16 minutes.https://www.bachvereniging.nl/en/bwv/bwv-65/
  • Von Heike Glasow @
    Total schön!
    Danke!
  • Von Alexander @
    Ist dir mein Herze nicht zu wenig,
    so nimm es gnädig an,
    weil ich nichts Edlers bringen kann