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Ernst und Spiel

Ernst und Spiel

Von

Mieke Mosmuller

29-01-2020 1 Kommentare Print!

Aber das Leben auf der Erde ist etwas Leidvolles auch. Das kleine Kind bringt uns zwar den Himmel auf Erden, gibt uns jedoch auch viel zu tun. Es ist ja nicht nur lieb und süß, es ist auch weinerlich in unangenehmen Stunden, will unsere Aufmerksamkeit haben, wenn wir endlich mal ruhig sitzen, mag das Essen, das wir gekocht haben nicht, hält uns die ganze Nacht wach, usw… Und wenn es größer wird, steckt es die Finger in die Steckdose, balanciert auf der Treppe, wirft den leeren Becher auf den Boden – oder sogar den vollen… Es will, was es nicht darf, und tut nicht, was es soll. Es schreit laut im Supermarkt, setzt sich hin und will nicht mehr mitkommen, macht einen zu Schande für die ganze Welt. Ist das das Engelein, für das wir so viel Respekt haben sollten?


Ein Engel muss sich bereit machen, mit den irdischen Herausforderungen umzugehen. Die Festigkeit, die immer Widerstand leistet, muss erlitten werden, und bei diesem Erleiden wird gekämpft, das geht nicht anders. Könnten wir die Unannehmlichkeiten in diesem Licht sehen, dann würden wir diesen mit Humor entgegentreten. Aber wir sind so ernst wie die Tiere geworden, die lachen auch nie.

Es gibt ein schönes Stück Text von Heraklit hierüber, das ich gerade von Rudolf Steiner umschrieben gelesen habe:

‘Es ist die Urschuld des Menschen, wenn er am Vergänglichen mit seiner Erkenntnis haftet. Er wendet sich damit vom Ewigen ab. Das Leben wird dadurch seine Gefahr. Was ihm geschieht, geschieht ihm vom Leben. Aber dieses Geschehen verliert seinen Stachel, wenn er das Leben nicht mehr unbedingt wertet. Dann wird ihm seine Unschuld wieder zurückgegeben. Es geht ihm, wie wenn er in die Kindheit zurückkehren könnte, aus dem sogenannten Ernst des Lebens heraus. Was nimmt der Erwachsene alles ernst, womit das Kind spielt. Der Wissende aber wird wie das Kind. «Ernste» Werte verlieren ihren Wert vom Ewigkeitsstandpunkte aus gesehen. Wie ein Spiel erscheint das Leben dann. «Die Ewigkeit», sagt deshalb Heraklit, «ist ein spielendes Kind, die Herrschaft eines Kindes.» Worin liegt die Urschuld? Sie liegt darin, daß mit höchstem Ernste genommen wird, woran sich dieser Ernst nicht heften sollte. Gott hat sich in die Welt der Dinge ergossen. Wer die Dinge ohne Gott hinnimmt, nimmt sie als «Gräber Gottes» ernst. Er müßte mit ihnen spielen wie ein Kind, aber seinen Ernst dazu verwenden, um aus ihnen das Göttliche zu holen, das in ihnen verzaubert schläft.
Brennend, ja versengend wirkt das Anschauen des Ewigen auf das gewöhnliche Wähnen über die Dinge. Der Geist löst die Gedanken der Sinnlichkeit auf; er bringt sie zum Schmelzen. Er ist ein verzehrendes Feuer.’

(Das Christentum als mystische Tatsache, GA 8, S. 43)

Mieke Mosmuller

Ernst und Spiel Von Mieke Mosmuller

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Kommentare
  • Von Marjolein @
    Dank je wel Mieke, verhelderende tekst.