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Eurythmie

Eurythmie

Von

Mieke Mosmuller

04-03-2020 2 Kommentare Print!

Die Eurythmie ist eine Kunstform, die in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist. In der Tat ist sie nur denjenigen bekannt, die die Waldorfschule besucht haben, wo sie ein Kunstfach war, das meistens nicht populär war und hier und dort noch immer nicht ist – und den Anthroposophen, die diese Kunstform mehr oder weniger zu Recht als eine spezifisch anthroposophische betrachten. Heute möchte ich den Versuch unternehmen, in nicht allzu vielen Worten zu erklären, worauf diese Kunstform beruht und wie man sich als Mensch dem Gebiet, aus dem die Eurythmie stammt, annähern kann.

Bei den bekannten Kunstformen ist dies für die Menschen offensichtlich. Wenn man über Malerei spricht, weiß jeder, dass es um die Bilderzeugung geht, und dass man das Äußere oder Innere, das Konkrete oder Abstrakte in eine für alle wahrnehmbare äußere Form bringt. Auf diese Weise kann man alle Kunstformen als Ausdruck eines bestimmten Wahrnehmungsbereichs sehen. Wenn man das für die Eurythmie machen will, dann muss man einen Bereich öffnen, der wie die Bilderzeugung auf ganz natürliche Weise für jeden Menschen wirksam ist, den man aber in diesem Fall meist nicht anschaut und nicht kennt.

So hat jeder Mensch Zugang zu einem reinen sinnlichkeitsfreien Denken. Dieses sinnlichkeitsfreie Denken, das zur Verfügung steht, entgeht jedoch fast vollständig dem Bewusstsein, und das bedeutet, dass wir als Menschen zwar vollkommen davon Gebrauch machen, uns dessen aber dennoch nicht bewusst sind.

Die Anthroposophie bringt dieses Bewusstsein näher. Dann lernt man in sich selbst kennen, dass man, um denken und verstehen zu können die Anlage hat, Begriffskategorien und logische Gesetzmäßigkeiten zu verwenden, durch die man sich in der Außenwelt orientieren kann, und durch die man Wissenschaft betreiben kann. Der Mensch ist in der Lage, diese vollkommen zu handhaben. Es ist die Wahrheit an sich, und es spielt keine Rolle, ob man damit die Wahrheit findet oder die Unwahrheit behauptet.

In der Tat ist sie nur denjenigen bekannt, die die Waldorfschule besucht haben, wo sie ein Kunstfach war, das meistens nicht populär war und hier und dort noch immer nicht ist – und den Anthroposophen, die diese Kunstform mehr oder weniger zu Recht als eine spezifisch anthroposophische betrachten.

Das ist an sich schon ein interessantes Thema zum Nachdenken – wie es möglich ist, dass man mit der Wahrheit auch Unwahrheiten denken kann. Wenn man das Problem in einen anderen Bereich verlagert, ist es weniger schwierig. Wenn man sagt, dass man gesunde Gliedmaßen hat, mit denen man trotzdem Verbrechen begehen kann, ist das offensichtlich. Das ist etwas Ähnliches, aber im inneren Prozess...

Das Handbuch, um sich dieses reinen Denkens bewusst zu werden, ist Rudolf Steiners Philosophie der Freiheit, und es gibt eine Passage, in der es sehr klar wird, dass der Mensch das Denken vollkommen beherrschen kann, und dann doch nicht die richtigen Dinge mit diesem Denken weiß:

„Der Grund, der es uns unmöglich macht, das Denken in seinem jeweilig gegenwärtigen Verlauf zu beobachten, ist der gleiche wie der, der es uns unmittelbarer und intimer erkennen lässt als jeden andern Prozeß der Welt. Eben weil wir es selbst hervorbringen, kennen wir das Charakteristische seines Verlaufs, die Art, wie sich das dabei in Betracht kommende Geschehen vollzieht. Was in den übrigen Beobachtungssphären nur auf mittelbare Weise gefunden werden kann: der sachlich-entsprechende Zusammenhang und das Verhältnis der einzelnen Gegenstände, das wissen wir beim Denken auf ganz unmittelbare Weise. Warum für meine Beobachtung der Donner auf den Blitz folgt, weiß ich nicht ohne weiteres; warum mein Denken den Begriff Donner mit dem des Blitzes verbindet, weiß ich unmittelbar aus den Inhalten der beiden Begriffe. Es kommt natürlich gar nicht darauf an, ob ich die richtigen Begriffe von Blitz und Donner habe. Der Zusammenhang derer, die ich habe, ist mir klar, und zwar durch sie selbst.“

Wir hoffen, auf dem ursprünglichen Grund der Eurythmie eine Erneuerung zu finden – durch dieses Bewusstsein ihres Ursprungs.

Wenn man sich bewusst in diesen Bereich des reinen sinnlichkeitsfreien Denkens begibt, dann beginnt man eine Stärkung des Denkens zu erfahren, die es immer weniger abhängig von Inhalten macht und es in ein bewegliches Vorwärtsgehen in der Zeit verwandelt, das eigenständig ist und erlebt werden kann. Dies wird zu einem neuen Instrument der Erkenntnis. Mit diesem Instrument, das die Grundlage des Denkens ist, denkt man nicht, sondern man schließt sich dem zu erkennenden Objekt an. Dann entsteht eine "Wissensweite", die Kunst ist.

Wenn man dieses gestaltende Denken mit der Bildung von Lauten – Konsonanten und Vokalen – durch den Kehlkopf und die Sprechorgane wie Lippen, Zunge und Zähne vereinigt, dann fügt man ihm diesen Gedankengrund hinzu, der zu einem bewegenden Kraftmechanismus geworden ist und verfolgt man das Sprechen, wie es nicht in der Bedeutung der Worte fließt, sondern wie es gestaltend den Luftstrom durch den Kehlkopf und die Sprechorgane formt.

Wenn man dieses Ganze, sich so mit dem Wesen der Sprache vereinigend erlebt, dann wird die Sprache selbst zu einem Phänomen, das sich auf außerordentlich künstlerische Weise formt, und wenn man sie erlebt, so wird dem Untersucher allmählich bewusst, dass der Mensch selbst das Wort ist, und dass man bei dieser Untersuchung der Sprache mit dem gestaltenden Denken etwas findet, das mit dem ganzen Menschen zu tun hat. Man möchte dann, dass der ganze Mensch dies äußerlich in Erscheinung treten lassen kann, so dass auch derjenige, der nicht die Fähigkeit hat, dieses gestaltende Denken zu erfahren, die äußere Erscheinung sehen kann. Man kann sich vorstellen, dass der künstlerische Reichtum nur noch größer wird, wenn man einmal beginnt, ihn auszuführen. Es beschränkt sich nicht darauf, Vokale und Konsonanten sichtbar zu machen, sondern es können auch Wörter, Rhythmus, Klang, Stimmung, der Verlauf eines Textes einbezogen werden. Man erlebt, dass es nicht nur Gesten sind, sondern dass man diese auch in Bewegung sieht; in verschiedenen Farben, mit unterschiedlicher Stärke.

Als ich zum ersten Mal den Anfang in Novalis' Schrift "Die Lehrlinge zu Sais" las – ein Büchlein, das ich später ins Niederländische übersetzte – sah ich sofort: Hier werden die zu gehenden Formen der Eurythmie beschrieben, also ein jeder Mensch geht seine Wege eurythmisch!

Novalis, Die Lehrlinge zu Sais:
“Mannigfache Wege gehen die Menschen. Wer sie verfolgt und vergleicht, wird wunderliche Figuren entstehen sehn; Figuren, die zu jener großen Chiffernschrift zu gehören scheinen, die man überall, auf Flügeln, Eierschalen, in Wolken, im Schnee, in Kristallen und in Steinbildungen, auf gefrierenden Wassern, im Innern und Äußern der Gebirge, der Pflanzen, der Tiere, der Menschen, in den Lichtern des Himmels, auf berührten und gestrichenen Scheiben von Pech und Glas, in den Feilspänen um den Magnet her und sonderbaren Konjunkturen des Zufalls, erblickt. In ihnen ahndet man den Schlüssel dieser Wunderschrift, die Sprachlehre derselben; allein die Ahndung will sich selbst in keine feste Formen fügen  und scheint kein höherer Schlüssel werden zu wollen. Ein Alkahest scheint über die Sinne der Menschen ausgegossen zu sein. Nur augenblicklich scheinen ihre Wünsche, ihre Gedanken sich zu verdichten. So entstehen ihre Ahndungen, aber nach kurzen Zeiten schwimmt alles wieder, wie vorher, vor ihren Blicken.”

Sicherlich kann man sich vorstellen, dass man mit dem bewegenden, kraftvollen Denkelement nicht nur inhaltlich denkt, dass man auch die Musik verfolgen und gestalten kann, und dass so eine Ton- und Musikeurythmie entstanden ist. Darüber hinaus entsteht der Wunsch, zu dem zurückzukehren, was das Denken selbst tut, aus dem dieses Denkelement abgeleitet ist, und es ebenso in die Sichtbarkeit zu bringen. Was macht das Denken selbst eigentlich? Diese Eurythmie gibt es noch nicht...

Mit Hilfe der inneren Entwicklung des gestaltenden Denkens, das zu einem hellseherischen Element der Erkenntnis wird, schaue ich von Zeit zu Zeit darauf, was Ruth und Raphaela in ihrem Projekt ‘Logos Eurythmie’ entwickeln und durchführen. Wir hoffen, auf dem ursprünglichen Grund der Eurythmie eine Erneuerung zu finden – durch dieses Bewusstsein ihres Ursprungs. In meinen früheren Büchern habe ich dieses Bewusstsein auch als Bewusstsein der Form bezeichnet. Als ausübender Musiker muss man die pythagoräischen Sphären der Harmonie nicht verstehen um ein guter Musiker zu sein. Ein Eurythmist muss diese innere Entwicklung zum innerlich kraftvollen, gestaltenden Denken nicht durchlaufen haben um ein guter Eurythmist zu sein. Aber je besser und intensiver das Verständnis dafür ist, je näher es an das eigene Erleben kommt, desto realer wird der Eurythmist diese Kunstform zeigen können, denn in der Eurythmie stellt der Künstler das dar, was direkt aus der geistigen Anschauung genommen wurde.

Eurythmie Von Mieke Mosmuller

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Kommentare
  • Von @
    Wat Rudolf Steiner in zijn pedagogische voordrachten over euritmie heeft gezegd, heb ik op mijn blog 'vrijeschoolpedagogie.com, zoek: rudolf steiner over euritmie' bij elkaar gezet. Ik zal op mijn blog ook naar uw waardevolle gezichtspunten verwijzen.
  • Von Ekkehard Schutsch Grüneberg @
    Bei den Eurythmisten darf ich spüren, und irre mich hoffentlich nicht, daß sie gläubig sind. Steiners Anthroposophie und die schöne Eurythmie verkäme, ohne unsere Gottesfurcht und unseren Glauben an Jesus Christus. Die Furcht bildet den Rahmen für unsere Schlauheit, die ohne sie zum Werkzeug des Teufels werden kann. Leider verdrängen an den Waldorfschulen Atheisten die Gläubigen, und die Eurythmie verkommt zum Ausdruckstanz, ohne die schönen Gewänder. In meiner Schulzeit, noch vor der Wende, durften wir im Unterricht immer Eurythmiekleid tragen, und beteten zu Christus. Ich lernte auch Christen kennen, die so liebe waren, daß ich dachte, sie wären Eurythmisten, doch leider kannten sie die Kunst nicht, obwohl sie sich ganz anmutig bewegten. Wieviel noch schöner könnten wir sein, wenn wir beides haben, die Eurythmie und den Glauben?