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Finden, ohne zu suchen

Finden, ohne zu suchen

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Mieke Mosmuller

10-12-2014 12 Kommentare Print!
In der Parzival-Erzählung ist Parzival die Hauptfigur, die die Personifikation der Aufgabe des modernen Menschen ist. Er ist ein gesunder Mensch, aber sein Geist ist nicht ganz wach, er hat ein träumendes Bewusstsein. Am Anfang macht er durch dieses träumerische Bewusstsein viele Fehler. Der Prozess des Erwachens hat gerade erst begonnen, als er die Gralsburg betritt. Darum verfolgt er zwar voller Verwunderung, was da geschieht, doch er schweigt – obwohl er auserwählt war, zu fragen...

In Parzivals Suche sehen wir die Notwendigkeit, den Weg der Mitte zu finden, mitten zwischen den Gegensätzen. Von seiner Natur aus hätte er bestimmt sehr viele, zu viele Fragen gestellt. Durch die Erziehung zum Ritter, hat er gelernt, zu überlegen – und fragt überhaupt nicht. So verfehlt er seine Aufgabe. Er hat keine Sehnsucht nach dem Gral, er weiß gar nichts davon und hat die Burg überhaupt nicht gesucht. Doch obwohl er nicht sucht, findet er sie dennoch. Während er nach dem Gral blickt, ist er verwundert, doch nicht genügend, um nach der Bedeutung zu fragen.


Die Sünde, nicht gefragt zu haben, macht ihn wach. Er wird ‚mindful’, beginnt jedoch zugleich, über alles zu zweifeln, sogar über die Existenz Gottes. Er muss auf vielen Wegen umherirren, und er würde die Burg gewiss nicht von neuem finden können.

Dennoch bleibt sein Vermögen, im richtigen Moment auch das Richtige zu tun, ihm erhalten. Er überwindet jeden, der ihn bedroht. Es gibt in der Erzählung von Wolfram von Eschenbach eine großartige Stelle, wo erzählt wird, wie Parzival ganz versunken ist in die Anschauung des weißen Schnees mit einem Tropfen Blut. Er scheint wie in eine Verzauberung geraten, hat alles um sich herum vergessen, in Gedanken an seine Geliebte versunken. Da geht ein Feind auf ihn los, und man erwartet, dass dieser ihn töten werde, da er so in Gedanken versunken ist. Doch im richtigen Moment wird er kurz ‚wach’, führt einen gut gerichteten Schlag – und schickt den überwundenen Feind zum Schloss von König Artus...

Wir können von so einer Erzählung viel lernen. Doch wir müssen lernen, durch die Bilder hin auf die wirkliche Bedeutung zu schauen. In Parzival kommt eine rein menschliche Qualität zur Entwicklung, ganz langsam und allmählich. Die Fehler, die er durch seine Unwissenheit beging, werden in die höchste menschliche Eigenschaft umgewandelt: das Mitleid. Das Mitleiden wird zu seiner Kraft, zu wissen.

‚Durch Mitleid wissend...’. Dies steht in schrillem Kontrast zu dem Wissen mittels unseres Gehirns oder unseres Verstandes. Damit können wir wissen, ohne irgendetwas zu fühlen – und wir werden immer Zweifel behalten, ja sogar Zweifel an der menschlichen Möglichkeit, die Wahrheit zu finden. Mitleid ist keine Gehirnfunktion. Es ist eine fundamentale Konstitution der Seele – und es ist eine mächtige Idee, dass das Herz die Möglichkeit hat, zu wissen – ohne irgendwelche Zweifel. Doch es ist zugleich deutlich, dass diese Anlage nicht von Natur aus vollkommen ist. Sie muss entwickelt werden, und das ist nicht einfach. Es verlangt viel Selbstüberwindung.

Dies alles kann erlebt werden, wenn man die Parzival-Sage liest und versucht, durch die Bilder hindurch zu lesen, was ihre Bedeutung ist. In Parzival sehen wir eine bestimmte Erneuerung die 'geistige instinktive' Gewohnheit: die instinktive Gewohnheit, durch Mitleid zu wissen.
 
Finden, ohne zu suchen
Parzival, Gemälde von Hermann Hendrich
Finden, ohne zu suchen Von Mieke Mosmuller

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Kommentare
  • Von @
    Ich wünsche mir, dass es bald ein Buch von Dir gibt, liebe Mieke, über Parzival.
    Übrigens finde ich das Gemälde wunderschön.
    Liebe Grüße! Margareta
    • Von Mieke Mosmuller @
      Das ist eine schöne Frage!
      • Von Michiel Suurmond @
        Na het antwoord op deze vraag (dank voor zowel vraag als antwoord!), durf ik er een vraag aan toe te voegen. Mocht het boek er komen, zou er dan in kunnen worden aangeduid waarom datgene wat hij is in de komende periode steeds meer en meer noodzakelijk zal worden?
        • Von Marie Anne Paepe @
          Misschien heeft dit wel te maken met de noodzaak van het vinden van de weg van het midden tussen de tegenstellingen, zoals Mieke reeds aangaf.
          Van Rudolf Steiner leerde ik dat het Ik alleen in het midden - in de juiste maat tussen de polen, in die rust, dus daar waar de beweging nog beide kanten kan opgaan - de juiste verhouding tot de buitenwereld kan tot stand brengen. Maar opdat de polen in de eigen ziel ontwikkelingsfactoren kunnen zijn, is er vooreerst bewustwording van de tegenstellingen in zichzelf vereist.
          Wat mij vooral boeit in deze blog en tot mij tot meditatie aanspoorde is het medelijden als kenkracht. Het brengt mij verder.
          Dank je wel Mieke !
    • Von Machteld Rippen-Veenker @
      Vieles von Parcival ist schon zu lesen in Mieke ihren Buch 'De wijsheid is een vrouw', leider nur noch im Holländisch..Sehe auch das Commentar im blog 'De burcht van de visserskoning'.
  • Von Elfi (ich schicke nie meinen ganzen Namen durchs Netz) @
    Sehr geehrte Frau Mosmuller,
    dank eines Flyers hatte ich das Glück, Ihr Nürnberger Seminar zu finden.
    Ohne zu suchen; ich wusste ja gar nicht, dass es Sie gibt.
    Heute habe ich folgenden Satz von Friederike Mayröcker gefunden:

    Ihre Arbeitsweise beschreibt Mayröcker so: „Ich lebe in Bildern. Ich sehe alles in Bildern, meine ganze Vergangenheit, Erinnerungen sind Bilder. Ich mache die Bilder zu Sprache, indem ich ganz hineinsteige in das Bild. Ich steige solange hinein, bis es Sprache wird.“

    Das erinnert mich sehr an das, was Sie über den Übergang von Imagination zu Inspiration gesagt haben, denn die Wahrnehmung, dass etwas "Sprache wird" müsste mit der Beobachtung des Denkens identisch sein.

    Mich freut es immer, wenn ich etwas in ganz anderen Zusammenhängen wiederfinde.

    Herzliche Grüße
    Elfi
    • Von Mieke Mosmuller @
      Vielen Dank für Ihr Kommentar! Es hat auch mich gefreut, Sie in Nürnberg zu treffen.
  • Von @
    Was meinem Hirn anstösst : wer nicht sucht, kann auch nicht finden. Denn im Suchen selbst keimt und reift das Finden. Suchen und Finden sind mir eine Ganzheit von liebenden Gegensätzen, die auf einander zu gerichtet sind.
    Parzival findet nicht - er wird gefunden....
    Ich möcht nicht widersprochen haben, eher den Widerspruch in mir verarzten.
    Danke für Ihre Anregung !
    Luciano
    Wann sind Sie wieder in der S chweiz ?
    • Von @
      Picasso hat einmal gesagt: Ich suche nicht, ich finde......
    • Von Kurt Hofer @
      Lieber Luciano

      Mieke Mosmuller wird am Wochenende vom 27.-29. März 2015 in die Schweiz kommen und in Zürich und Bern Vorträge und Übungen geben. Kennst du die Rundbriefe des Freundeskreises von Mieke Mosmuller? Dort und auf der Website des occident Verlages findet man alle Veranstaltungshinweise und Kontaktdaten :-). Sei freundlich gegrüsst! Kurt
    • Von Mieke Mosmuller @
      Ja, im Geistigen ist alles umgekehrt, da liegt das Finden bevor dem Suchen. Das hat das Gehirn nicht gern...
      Vielleicht sehen wir uns im März in der Schweiz...
      • Von Freddy TM Kokke @
        Kunnen de hersenen zelfstandig dus iets niet graag mogen?
        Los van mijn persoon?
        Of zijn op dat moment mijn hersenen mij?
        Of bedoel je het lichaamsgebonden denken?

        Overigens is het beeld in Parsifal niet één druppel bloed maar drie druppels bloed in de witte sneeuw: of is het aantal druppels in het beeld zonder betekenis? Immers: "Wel moeten we leren om door de beelden heen te schouwen naar de werkelijke betekenis." Daar ben ik het hartgrondig mee eens...
        Voor wie het interesseert: Leen Mees heeft een prachtige 'exegese' geschreven in het Mededelingenblad van de AViN (in mijn bezit).
        Hopelijk wordt ik niet weggezet als intellectueel of detaillist.
        Mieke, wellicht binnenkort tot ziens in Zeist