Vortrag Arnheim, 19.11.2019, 4. Teil
Und so hat in Europa eine sehr intensive Forschung begonnen, zunächst in Genf, wo ein hochbegabter Physiker ein Projekt namens Blue Brain Project gestartet hat. Dort wird versucht, die verschiedenen Regionen des menschlichen Gehirns zu kartieren, eine nach der anderen, Neuron für Neuron, könnte man sagen. So wie in der Vergangenheit die Welt kartiert wurde, soll nun das menschliche Gehirn kartiert werden. Und nicht nur das, sondern wenn ein Teil davon - ja, man kann nicht sagen, dass er verstanden wurde, aber man hat herausgefunden, was er tut - dann will man das in den Computer zurückleiten, so dass der Computer nachahmt, was das menschliche Gehirn tut. Das nennt man Reverse Engineering des Gehirns; durch bestimmte technische Entwicklungen wird es möglich, das, was das menschliche Gehirn tut, bis zu einem gewissen Grad in den Computer einzugeben und nachzuahmen. Es ist klar: Man hofft, auf diese Weise irgendwann das gesamte menschliche Gehirn kartieren zu können. Aber nicht nur das, sondern auch, um es technisch nachahmen zu können. Dieser Schweizer, Marcon, hat das Interesse an diesem Projekt in anderen europäischen Ländern geweckt, und so gibt es seit einigen Jahren ein Brain Project auf europäischer Ebene, das von der Europäischen Union unterstützt wird und für das sie viel Geld ausgibt. Eine große Zahl von Wissenschaftlern, vor allem junge und hochbegabte, arbeiten an der Erforschung des menschlichen Gehirns. Das will Europa, und es will mit aller Macht herausstellen, was menschliche Intelligenz eigentlich ist, aber es geht nur technisch.
Ich habe schon oft ein Zitat aus Rudolf Steiners Vorträgen über die Apokalypse für Priester aus dem Jahr 1924 vorgelesen, das in Büchern zitiert wird, und ich werde es jetzt wieder tun. Es fällt auf, dass dort derselbe Appell ergeht, nur dass er etwas ganz anderes bedeutet und nicht mit künstlicher Intelligenz zu tun hat. Rudolf Steiner sagt im 18. Vortrag:
‚Wir haben heute noch an eines anzuknüpfen. Wir müssen beÂdenken, daß wir ja leben im Zeitalter der Bewußtseinsseele, jener Etappe der gesamtmenschlichen Evolution, in der der Mensch die Intellektualität sozusagen in die Hand zu nehmen hat, in seine eigene Individualität hereinzugliedern hat.‘
Man sieht, wie das in Europa auch wirklich geschieht, zum Beispiel in den Brain Projects.
‚Natürlich ist dieses Zeitalter jetzt sozusagen das erste, das auf den Geist des MenÂschen noch beschränkte, in welchem die Dinge, die die Aneignung der Intellektualität betreffen, ablaufen innerhalb des menschlichen Sinnens und Denkens. Es wird ein Zeitalter kommen, in dem auch die tieferen Kräfte der menschlichen Seele ergriffen werden von demjenigen, was sich jetzt mehr abspielt innerhalb des Sinnens und Trachtens und Denkens.
Gegenwärtig ist der Mensch noch in der Lage, sich VorstellunÂgen darüber zu machen, wie er sich der in seine eigene IndividuaÂlität hereinbrechenden Intellektualität bedienen soll. Aber es wird dieser Zeitraum der Bewußtseinsseelenentwickelung nicht ablauÂfen, ohne daß auch die Seelen selbst in ihren tiefsten Emotionen, in ihren Gefühlen, in ihren Leidenschaften ergriffen werden von der Intellektualität, und dann wird dasjenige eben noch tiefer und gründlicher im Menschen wohnen, was noch im Mittelalter geÂsucht worden ist in den Sternen, als man von engelischen Intelligenzen.
in den Sternen redete. Das alles wird ja im Menschen abgeladen. Und wenn dann später die Jupiterzeit kommt, so wird auch die menschliche Leiblichkeit ergriffen werden von der IntelÂlektualität. Gerade gegenwärtig ist es daher noch möglich - weil die Dinge noch so liegen, daß der Mensch in Gedanken und Worte fassen kann, um was es sich handelt, weil die Seele noch nicht in ihrem innersten Gefüge von der Intellektualität ergriffen ist -, gerade gegenwärtig ist es daher namentlich im PriesterwirÂken noch möglich, dieses Wirken so zu orientieren, daß die WelÂtenzwecke, die Weltenziele wirklich erreicht werden können.
Denn sehen Sie, die Sache liegt ja so, daß der Mensch, indem er die Intellektualität an sich heranreißt aus dem Weltenall - und das liegt ja schließlich in der Weltenweisheit, daß er sie heranreißt-, daß der Mensch die Möglichkeit gibt, in unbewachten Momenten, die ja immer da sind, diese Intellektualität ergreifen zu lassen von jener ahrimanischen Macht, die in der christlichen Tradition der Satan genannt wird und der nicht verwechselt werden darf mit dem gewöhnlichen Teufel, welcher ja nicht die Eigenschaften des Satans hat, sondern eine niedrigere Macht ist. Satan hat den Rang von Urkräften, von Archai, und er ist derjenige, welcher im VerÂlaufe der Weltevolution diese Intellektualität ergriffen hat, lange bevor sie in der Art, wie es geschildert wurde, an den Menschen herantritt. Er ist gegenwärtig sozusagen der umfassendste Besitzer der Intellektualität, und er strebt danach, die menschliche IntelÂlektualität so stark an die seinige zu binden, daß der Mensch auf diesem Wege herausfallen kann aus seiner Evolution. Also das Mysterium von Golgatha unwirksam zu machen, danach strebt diese ahrimanische Macht.‘
Und da, in diesem Kampf, sind wir wirklich mittendrin. Wir als Europäer haben die Aufgabe, Intellektualität mit unserer Individualität zu verbinden. Aber was passiert, ist, dass ein Strom nicht-menschlicher Intellektualität über uns kommt, der uns Dinge ermöglicht, die wir sonst sicher nicht tun könnten, uns aber auch der sehr ernsten Gefahr aussetzt, unsere Intellektualität zu verlieren, dass sie verblasst und so allmählich in den tieferen Bereichen Wurzeln schlägt, über die wir keine Kontrolle mehr haben.‘
In einem Vortrag sagt er ungefähr dies:
‚Wir haben heute schon Maschinen, die addieren, subtrahieren, nicht wahr. Das ist ganz einfach, man muss die Berechnungen nicht mehr selbst durchführen. Und so wird es mit allem gemacht werden. Es wird nicht lange dauern, ein paar Jahrhunderte, dann ist alles fertig, dann muss ich nicht mehr denken, ich muss nicht mehr überlegen, ich schiebe einfach. Zum Beispiel gibt es 330 Bündel Baumwolle in Liverpool. Auch heute noch ist ein gewisses Maß an Überlegung erforderlich. Aber dann bewegt man einfach und die Geschichte ist zu Ende. (Diese Verschiebung ... Ja, wir schieben ziemlich viel auf unseren Geräten. Natürlich, mit der Maus und am Telefon... Er meint natürlich das Verschieben des Rechners, aber das Bild ist natürlich etwas ganz Besonderes. Er sagt dort auch: 'Die Leute reden immer nur von entweder/oder. Null oder eins. Er sagt das nicht,null oder eins, ich sage das...) Darum geht es nicht, denn es geht darum, die Dinge durch Nachdenken wirklich zu verstehen. Man muss wirklich wissen, was das eine und was das andere ist, und sich nicht nur für das eine oder das andere entscheiden. Und damit dieses feste Gefüge des gesellschaftlichen Zusammenhalts der Zukunft nicht gestört wird, werden bestimmte Gesetze aufgestellt werden, die zwar nicht direkt sagen: Denken ist verboten - aber sie werden bewirken, dass jedes individuelle Denken ausgeschaltet wird.‘
Wir sind selbst Ärzte, wir haben als Allgemeinmediziner gearbeitet, wir hatten immer den Eindruck, dass man über eine gewisse intuitive Fähigkeit verfügt, das heißt, wenn man sorgfältig beobachtet, wenn man sich die Anamnese anhört - das ist die Geschichte des Patienten - und wenn man die Untersuchung richtig macht, dann weiß man aus der Intuition heraus, was los ist, mehr oder weniger, und dann weiß man, was zu tun ist. In unserer Zeit hat das eigentlich kaum noch einen Platz. Es gibt keinen Platz mehr dafür. Werfen Sie einfach einen Blick auf die Protokolle für jede Störung bei der Verein für Hausärzte. Wenn Sie feststellen, dass jemand Bluthochdruck hat, sind Sie verpflichtet, alle dort aufgeführten Schritte zu unternehmen. Wenn es das nicht ist, dann vielleicht das, wenn es all das nicht ist, dann muss man das tun und so weiter. Dann haben Sie eine ganz andere Art des Denkens zur Verfügung. Sie nehmen das Protokoll, das die Ärzte natürlich aus Erfahrung auswendig kennen, und befolgen es. Wenn etwas schief geht und Sie nicht beweisen können, dass Sie das Protokoll befolgt haben, können Sie verklagt und sogar verurteilt werden, weil Sie sich nicht an ein Protokoll gehalten haben.
Das ist es, was Steiners Vortrag vorwegnimmt. Wenn man in unserer Zeit auch nicht eine gewisse Grenze überschreitet, dann darf man doch noch denken, oder? Man kann immer noch eine bestimmte Grenze erreichen, man darf sie nicht überschreiten, aber innerhalb bestimmter Grenzen kann man selbständig denken. Aber das, was ich gerade dargestellt habe, liegt in der Entwicklung des Westens, und das wird durch die Entwicklung des Westens geschehen. In dieser Entwicklung muss sich also auch die Geisteswissenschaft weiterentwickeln. Diese Geisteswissenschaft muss dies sehr klar und objektiv sehen; sie muss sehen, dass etwa im Jahr 2200 oder noch einige Jahre danach eine Unterdrückung des Denkens in der Welt im größten Ausmaß entfesselt werden wird. Und in dieser Perspektive muss die Geisteswissenschaft arbeiten. Es muss so viel gefunden werden - und es wird gefunden werden -, dass ein entsprechendes Gegengewicht zu diesen Tendenzen in der Weltentwicklung gefunden werden kann.
Wird fortgesetzt
Intellektualität Von Mieke Mosmuller