Am 8. April fand in Freiburg ein Vortrag mit dem Titel Kernkraft und Christusbewusstsein statt. Da ich in der Vergangenheit für Seminare in Hamburg und Werkhoven ein umfangreiches Studium diesen Themen durchgeführt habe, war es mir möglich, an einem einzigen Abend das Wesentliche zusammenzufassen - soweit ich das beurteilen kann. Es ist natürlich sicherlich nicht möglich, dies hier in einer kurzen Zusammenfassung darzustellen. Aber es ist wichtig, dass wir verstehen lernen, dass selbst die unsagbare Zersetzungskraft der Kernenergie - abgesehen natürlich von einer Explosion - uns nicht beeinflussen kann, wenn wir den tatsächlichen Zusammenhang mit dem oben genannten Bewusstsein herstellen.
Ein gutes Beispiel ist die Kirche mit dem Priester und den Gläubigen in der radioaktiv verseuchten Gegend von Tschernobyl. Dieses Gebiet wäre 20.000 Jahre lang unbewohnbar, solange sollte es dauern, bis die radioaktive Strahlung dort auf harmlose Werte abgesunken ist. Inzwischen hat sich jedoch in Tschernobyl, mitten im Gefahrenbereich, eine Glaubensgemeinschaft niedergelassen, in der Menschen dank ihres festen Glaubens und des Vertrauens in den Erlöser an den Folgen von Krankheit und Alter und nicht an den Folgen von Strahlenschäden sterben.
'Wer sich in der Zone aufhält, sagt Vater Nikolaj, der befindet sich am Rande des Todes. Er hat Angst. Er denkt über das Sterben nach, über das Danach, über die Ewigkeit. So tritt Gott in sein Leben. Wenn die Menschen die Zone betreten, kann man ihnen von außen ansehen, wie es in ihnen arbeitet.
Die Menschen, die Vater Nikolaj in der Kirche besuchten, begannen bald, Fragen zu stellen. Was wird aus uns, Väterchen? Warum ist das alles geschehen? Bestraft uns Gott? Wird er uns verzeihen? Und wenn wir sterben, ist es wahr, dass unsere Seelen weiterleben?
In der Zone, sagt Vater Nikolaj, gibt es heute nicht einen Ungläubigen.
Manche sagen, das Leben außerhalb der Zone sei gefährlicher als hier, in ihrem Inneren. Viele Ausgewanderte leiden unter Krankheiten, für die die Wissenschaftler keinen Namen haben. Stress, sagen die Mediziner dann, migrationsbedingter Stress, Tschernobyl-Stress. Viele sind gestorben an diesem Stress, an Herzgeschichten, Lungengeschichten, Blutgeschichten, Kopfgeschichten.
Wir dagegen, sagt Vater Nikolaj, wir hier in der Zone sind bei guter Gesundheit, Gott der Allmächtige sei gepriesen. Die alten Menschen in den verlassenen Dörfern sterben, aber sie sterben an Altersschwäche, nicht an Krankheiten.
Dabei trinken sie sogar das Wasser. Das Wasser aus dem Fluss, der am Kraftwerk vorbeifließt. Wir segnen es, sagt Vater Nikolaj, dann trinken wir es. Er schlägt ein Kreuz über dem verschneiten Eisband des Pripjat, im Namen des Vaters, flüstert er, des Sohnes, des Heiligen Geistes.
Man muss glauben, sagt Vater Nikolaj. Wer glaubt, dem geschieht nichts.
Heute, am Tag der Auferstehung, wird Vater Nikolaj die orthodoxe Osterliturgie singen.
Christus ist auferstanden von den Toten. Er hat den Tod durch den Tod besiegt und denen im Grabe das Leben geschenkt.
Die ganze Nacht und bis zum Morgengrauen wird Vater Nikolaj vor der Ikone stehen und rufen: Christus ist auferstanden!
Und ein dünner, aber hörbarer Chor wird ihm antworten: Wahrhaftig, er ist auferstanden!
Zwei Tage später, am 26. April um 1 Uhr 23, wird Vater Nikolaj die Trauerglocke im Kirchhof läuten, er tut das jedes Jahr. 25 Glockenschläge werden durch die Zone hallen, einer für jedes Jahr, das vergangen ist.
Die Wissenschaftler sagen, dass 20 000 Jahre vergehen müssen, bevor die Menschen in die Zone zurückkehren können. Wenn die Glocke verstummt, werden es nur noch 19 975 Jahre sein.
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/kirche-der-erloeser-von-tschernobyl/4091114.html
Ikone: Der Erlöser von Tschernobyl
Kernkraft und Christusbewusstsein Von Mieke Mosmuller