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Luther - spirituell angeschaut

Luther - spirituell angeschaut

Von

Mieke Mosmuller

27-04-2016 2 Kommentare Print!
Rudolf Steiner:

'Aber dennoch: niemand kann Luther recht verstehen, der nicht weiß, daß die Bewußtseinserfassung dessen, was man aus dem Geiste seiner Zeit heraus den Teufel nennt, wir nennen es heute Ahriman und Luzifer, für ihn wirkliche geistige Erlebnisse sind, nicht bloß an der einen Stelle auf der Wartburg, sondern überall, wo Luther von diesen Dingen spricht. Suchen Sie nur einmal diese Dinge im Zusammenhange aufzufassen, Sie können nicht anders, als zu der Überzeugung kommen: So spricht nur ein Mensch von dem Teufel, der ihn gesehen hat, der ihn geschaut hat, und der da weiß: «Den Teufel spürt das Völkchen nie, und wenn er sie beim Kragen hätte.»'


'Luther stand da in einem Zeitalter, in welchem er in seiner Seele den Zusammenhang mit der geistigen Welt hatte. Alles, was als ahrimanische Teufelei in der Welt erlebt werden kann, war für ihn eine Wirklichkeit. Das war es. Was er so erlebt hat, läßt sich nicht in gewöhnlichen Worten ausdrücken, denn die bezeichnen ja physische Dinge. Man muß es in Bildern ausdrücken, in Imaginationen. Aber die Imaginationen drücken wahrhaftig das aus, was man schaut und sieht.'

'Und besonders ein solcher Geist, wie er in Luther aufgetaucht ist, kann sich nicht wiederholen. Er muß als historische Erscheinung, unmittelbar wie er dasteht, genommen werden. Falsch ist es zu glauben, daß irgend jemand Luther nachleben kann. Sondern worauf es ankommt, ist, daß man sich in ihn vertieft, daß man versucht, an seiner historischen Persönlichkeit zu studieren, was sich da einmal abgespielt hat, wie nicht nur diese eine Individualität Luther, die in jenen vorbereitenden Mysterien vor dem Christentum zu finden ist, nachher in einer anderen Inkarnation gelebt hat und dann später als Luther erschienen ist, da ist, sondern daß sich in der Tat der ganze Entwickelungs- und Gesetzesgang der Menschheit in dieser einen Erscheinung ausspricht.

Alles das aber hängt davon ab, daß Luther in seiner Zeit noch ein volles Erfahrungswissen hatte von jenen Regionen der Welt, wohin er den Teufel, wir würden sagen Ahriman, versetzt. Doch dieses Wissen ging hinunter in unterbewußte Regionen. .. Diese Betrachtung hat ziemlich überhand genommen, die nicht davon ausgeht, die unmittelbare Erfahrung Luthers in der geistigen Welt zu nehmen, sondern die davon ausgeht, wenn er vom Teufel spricht, zu meinen, es sei dies nur die Schwäche des großen Mannes gewesen. Es ist aber nur die Schwäche derer, die heute über Luther reden, wenn so von ihm gesprochen wird.'

'Oh, es tut einem in der Seele weh, wenn man das Große sieht, das in der abendländischen Kultur hervorgegangen ist aus Schillers Briefen über die ästhetische Erziehung, was hätte hervorgehen können - wenn es auch bis jetzt nicht so hervorgegangen ist, wie es hätte können - aus den großen Impulsen, die in Goethes «Faust» liegen. Wenn man die Anregungen zur Spiritualität ins Auge faßt, welche darin liegen, wenn man sie voll kennt - und wenn man dann sehen muß, wie unsere Zeit-genossen die Schulung ihrer Spiritualität immer wieder und wieder in den abgeschmacktesten amerikanischen Harmonien mit dem Weltenall und ähnlichem solchem Zeug gesucht haben! Man bekommt solchen Weltschmerz! '

'Auf dies wollte ich auch noch hinweisen, wie Lessing, wie Goethe, wie Schiller in der neueren Kulturentwickelung, von diesem Gesichtspunkte aus gesehen, drinnen stehen, und gerade dadurch versteht man das, was Luther ihnen vorangehend war, um so besser. Eine Persönlichkeit, wie die Luthers war, lernt man dann erst recht erkennen, wenn man einsieht, aus welchen Tiefen heraus sie sprach, und was in den Tiefen ihrer Seele lebte. Das wollte ich gerade in dieser Zeit hinstellen. Ich glaube schon: wenn Sie diese Gedanken nun nehmen und an das herantreten, was Ihnen gerade in dieser unserer Zeit von Luther ausgehend so mächtig entgegentreten kann, Sie werden vieles bei Luther finden, durch sich selbst finden, was ich natürlich hier nicht im einzelnen ausführen kann, was jeder auch bei Luther selber finden muß. Dann, meine ich, kann gerade für unsere so schwere Zeit die Versenkung in Luther wieder den Ausgangspunkt einer Vertiefung durch Luther werden. Denn vielleicht ist keine Kraft so geeignet, auf das mächtige Kolorit des fünften nachatlantischen Kulturzeitraumes hinzuweisen, wie Luther, weil er eben ganz aus dem Geiste dieses fünften Zeitraumes heraus sprach, aber seine Worte fand aus dem Geiste des vierten nachatlantischen Kulturzeitraumes heraus.' (GA 176,  Das Karma des Materialismus, 7. und 8. Vortrag).
 
Luther - spirituell angeschaut
Die Lampe des Teufels, Francisco de Goya, 1797-1798Luther - spirituell angeschaut Von Mieke Mosmuller

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Kommentare
  • Von Thomas @
    "Hier stehe ich, ich kann nicht anders" - diese Luther zugeschriebenen Worte auf dem Wormser Reichstag von 1521 sind bemerkenswert. In ihnen ist meiner Meinung schon das Bewußtseinsseelen-Zeitalter zu spüren, von dem Rudolf Steiner spricht, dass es Anfang des 15. Jahrhunderts begonnen hat. Nicht länger Autoritäten ungeprüft huldigen, sondern auf die eigene Erkenntnis bauen - so lautet die Quintessez dieses Ausspruchs. Ein wunderbarer Satz! Wie aber - wenn ich mich, Steiners Empfehlung folgend, in Luther versenke - verhält es sich mit Texten des Reformators über Juden folgender Machart:

    "Erstlich, daß man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecke und, was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, daß kein Mensch einen Stein oder Schlacke sehe ewiglich, und solches soll man tun unserm Herrn und der Christenheit zu Ehren, damit Gott sehe, daß wir Christen seien und solch öffentlich Lügen, Fluchen und Lästern seines Sohnes und seiner Christen wissentlich nicht geduldet noch gewilligt haben. [...] Moses schreibt, daß, wenn eine Stadt Abgötterei triebe, man sie mit Feuer ganz zerstören und nichts davon übriglassen sollte. Und wenn er jetzt lebte, so würde er der erste sein, der die Judenschulen und -häuser ansteckte. [...] Wie sie denn im Anfang an uns Christen in aller Welt wohl erwiesen und noch gerne täten, wenn sie es könnten, habens auch oft versucht und darüber auf die Schnauze weidlich geschlagen worden sind. - Sie haben solch giftigen Haß wider die Gojim von Jugend auf von ihren Eltern und Rabbinern eingesoffen und saufen ihn noch ohne Unterlaß in sich, daß es ihnen durch Blut und Fleisch, durch Mark und Bein gegangen, ganz und gar Natur und Leben geworden ist [...] Darum wisse du, lieber Christ, und zweifle nicht daran, daß du nächst dem Teufel keinen bittereren, giftigeren, heftigeren Feind hast als einen rechten Juden, der mit Ernst ein Jude sein will. Es mögen wohl unter ihnen sein, die da glauben, was die Kühe und Gänse glauben, doch hängt ihnen allen das Geblüt an. Daher gibt man ihnen oft in den Historien Schuld, daß sie die Brunnen vergiftet, Kinder gestohlen und zerpfriemt haben."

    Derartige verleumderische Texte wie dieser, die immer wieder Anlass für Pogrome waren, gibt es in Hülle und Fülle von Luther: Antijudaismus übelster Art. Hätte Luther da nicht besser daran getan, ein Tintenfass über sich selbst auszuschütten anstatt es an die Wand der Wartburg zu werfen?! Für mich sind diese Aussagen des Augustiner-Mönchs a. D. verbale Ausgeburten der Hölle. Vor diesem Hintergrund ist es mir ehrlich gesagt wurscht, ob diese Sätze, mit denen Nazis & evangelische Pfarrer im Dritten Reich wunderbar Antisemitismus predigten und die Grundlage für den Holocaust schufen, nun - hier schreibe ich, ich kann nicht anders - aus dem Geiste des vierten oder fünften nachatlantischen Kulturzeitraumes gesprochen wurden oder auch nicht.
    • Von Mieke Mosmuller @
      Ja, das verstehe ich, das ist wirklich furchtbar. Scheinbar haben die Nazis den Tex\t gerne aufgegriffen für ihre Ziele. Es gibt ein Artikel in der Zeitschrift 'Cicero' (http://www.cicero.de/berliner-republik/luther-judenfeind-die-dunkle-seite-des-reformators/57603), worin die Wandlung von Luther der Stellung den Juden gegenüber besprochen wird, und gesucht wird nach einem objektiven Standpunkt. Was nun wirklich in dem Menschen Luther gelebt hat, dass er zu solchen Aussagen gekommen ist, bleibt mir ein Rätsel. Man würde das wirklich gerne nachfühlen können. Vielleicht hat es doch mehr zu tun mit seinem Leben in der Wechsel der Kulturzeiträume, als wir so äusserlich anschauen können. Auf Christus gehen seine hassvolle Ansichten auf keinem Fall zurück!