Aber da immer mehr Menschen fragen, wo ich geblieben bin, möchte ich das Michaelisfest 2021 mit der Veröffentlichung eines Textes an diesem Tag feiern.
Die drei anderen jährlichen Feste, Weihnachten, Ostern und der Johannistag, sind an sich schon bekannte Feste. Das Johannisfest ist in Nordeuropa weniger bekannt, aber wenn man zum Beispiel im Juni in Spanien ist, sieht man die großartigen Vorbereitungen für den 24. Juni, das Johannisfest, und dass es ein ganz besonderer Tag ist, kurz nach dem Sommeranfang, das ist nicht etwas, das allen Kulturen fremd ist.
Das Michaelsfest ist viel mehr mit der Anthroposophie verbunden und ist in der Tat sozusagen ein neues Fest, das noch nicht die richtige Form der Feier gefunden hat. Natürlich ist Michael, der den Drachen besiegt, ein Bild, das jeder Kunstliebhaber kennt. Und in anderen Kulturen als der christlichen kommt dieses Bild auch mit anderen Namen vor. Denk an Marduk, Indra, denk an Mithras. Eigentlich kennen wir alle dieses Bild und in der Malerei gibt es unzählige eindrucksvolle Darstellungen von Michael, der den Drachen besiegt. Aber dieses Fest am 29. September tatsächlich zu feiern, ist in der Welt nicht sehr verbreitet, außer in anthroposophischen Kreisen.
Was bedeutet dieses Fest im Laufe des Jahres, muss man sich fragen, und natürlich kann man in der Literatur viel darüber finden.
Wir müssen uns den Drachen als ein übersinnliches, unsichtbares Wesen vorstellen, das zuerst im Himmel war und das als Verunreinigung des Himmels von Michael auf die Erde gestoßen wurde, und dass dieses Tier unsichtbar unter und in den Menschen ist. An sich ist die Erde ein reines Wesen, mit einem unschuldigen Mineralreich und, sagen wir, einem gehorsam wachsenden und blühenden Pflanzenreich, einem wunderbar instinktiven Tierreich und einem außerordentlich komplizierten Menschenreich.
Das Mineralreich, das Pflanzenreich und das Tierreich sind an sich für dieses Drachenwesen unangreifbar. In dem Moment aber, in dem der Mensch in eines dieser drei Naturreiche eingreift, ergreift der Drache seine Macht und schlägt die Begierde zu, wodurch die Würde der Naturreiche und insbesondere die des Menschen herabgesetzt wird. Wir müssen also das Bild von Michael mit dem Drachen schmerzhaft auf uns selbst beziehen. Es ist kein Bild, das sich bequemerweise außerhalb von uns abspielt, sondern es ist ein Bild, das notwendigerweise in uns in Bewegung gesetzt werden muss. Wir sind die Träger des Drachens, und wir sollten Michael anrufen, damit der Drache in uns ohnmächtig wird, damit die Reiche der Natur ihre Unschuld in uns bewahren können.
Oh, wie anders wäre die Welt, wenn diese alles verzehrende Kraft der Begierde in uns zur Ruhe käme, wenn sie sich in eine Seelenkraft verwandeln würde, die dieselbe Macht und Stärke hätte, die aber die Unschuld nicht zerstören, sondern im Gegenteil wiedergeboren werden würde. Und diese Kraft können wir spüren, wenn wir jetzt in die Natur gehen und sensibel für sie sind. Nicht in der Stadt, nicht einfach im Hinterhof oder auf dem Balkon. Aber wirklich in der Natur, dort, wo man sich durch und durch bewusst ist, dass das Wachsen und Blühen der Natur seinen Höhepunkt überschritten hat, in die Fruchtbarkeit übergegangen ist und langsam zum Stillstand kommt, woraufhin die Blätter fallen und die Natur die Winterkahlheit annimmt.
Noch ist es nicht so weit, aber wir können in der Natur schon spüren, wie es allmählich still wird und wie an ihrer Stelle eine gewisse Kraft freigesetzt wird. Und man kann diese Kraft an der Stelle seines Körpers erfahren, der ja auch zur Natur gehört. Man kann erfahren, dass man nicht nur aus Molekülen und Naturprozessen bestehen, sondern dass man in dem Maße, in dem die Kraft der Natur nachlässt, an ihrer Stelle eine enorme Kraft wahrnehmen, eine Kraft, die man, wenn man ihr einen Namen geben muss, am besten Mut nennt.
Dieser Mut ist gewissermaßen eine Brücke, um die Kraft des Geistes zu spüren, die anstelle der Naturgewalten nun freigesetzt wird. Während wir im Frühling die Auferstehungskraft der Natur erleben durften, dürfen wir jetzt, da die Natur ihre Kraft verliert, die Auferstehungskraft des Geistes erleben. Was für eine Macht, was für eine Majestät. Welch ein überwältigender Mut, den wir spüren können.
Und das, was im Frühling und Sommer eine so überwältigende Kraft der Natur ist, wird nun für uns zur geistigen Kraft.
Die Natur, dein mütterliches Sein,
Ich trage es in meinem Willenswesen;
Und meines Willens Feuermacht,
Sie stählet meines Geistes Triebe,
Dass sie gebaren Selbstgefühl,
Zu tragen mich in mir.
Rudolf Steiner