Wenn man ein Buch schreiben will, wie ich es tue, dann trägt man auch ein Idealbild in sich. Ich kann nicht sagen, dass ich etwas in meinem Kopf habe, was ich schreiben möchte. Ich trage etwas in meinem Herzen, was geschrieben werden will. Die Schwierigkeit daebi ist, dass dasjenige, was man als Thema, als Idealbild in seinem Herzen trägt, ein umfassendes Etwas ist, das man nur in einer Gedanken-Linie zum Vorschein bringen kann, die erst durch die Fülle der Gedanken wieder jenes Umfassende bekommen kann. Ich erlebe es immer wieder, dass man, wenn man mit dem Schreiben beginnt, jedesmal von neuem an einen Kreuzungspunkt kommt, wo man sich entscheiden muss, welche Richtung man einschlägt. Man kann nun einmal nicht mehrere Richtungen gleichzeitig beschreiten, man wird doch immer wieder einen Weg verfolgen müssen.
Das bedeutet, dass man viele andere Möglichkeiten liegen lässt, und jeder nicht eingeschlagene Weg schmälert die Möglichkeiten, sich jenem ursprünglichen Idealbild zu nähern. Das kann man als ein menschliches Unvermögen erleben. Man muss sich mit dem Denken in den Strom der Zeit begeben, und das bedeutet, dass man sich nur im Verlauf dieses Zeitstromes der Vollständigkeit annähern kann.
Jetzt, wo ich angegangen habe, kurze Texte für einen Blog zu schreiben, zeigt sich mir dieses Phänomen wiederum sehr stark. Ich war mehrere Male in Paris. Früher ging man dann vom Camps-Élysées zum Place de l’Etoile, jetzt läuft man vom Champs-Élysées zum Place Charles de Gaulle... Dieser Platz hat noch immer die Form eines Sternes, wie auch immer er genannt wird... Vom Arc de Triomphe gehen so viele Wege ab... Das ist die Schwierigkeit beim Sprechen und Schreiben: Man nähert sich dem Platz, aber man muss doch immer wieder einen Weg wählen. So wählte ich beim Umdenken des Zusammenhanges der Gegebenheiten, die für die Evolutionstheorie herangezogen werden, den Weg des fortlaufenden und rückwärts laufenden Zeitstroms. Während ich dies tat, erlebte ich sehr stark, dass ich dasjenige, was in der Evolutionslehre als das Entstehen der verschiedenen Tierarten bis hin zum Menschen betrachtet wird, auch andersherum denken könnte. Ich will dieses Thema nicht liegenlassen. In einem nächsten Beitrag wird es um diese Frage gehen. Daneben kommen auch Reaktionen auf die veröffentlichten Texte, die wiederum Anlass für einen neuen Text sein könnten...
Im Laufe meines Denklebens habe ich erlebt, wie eng und beschränkt das menschliche Denken in Wirklichkeit ist (ich schließe mein eigenes ursprüngliches Denken dabei nicht aus). Um es nochmals zu sagen, ich spreche dann nicht einmal vom Inhalt, sondern von der Beschränktheit der Art und Weise, in der wir unsere Begriffe miteinander verbinden. Hat man erst einmal einen bestimmten Weg eingeschlagen, dann wird dieser Weg das Symptom der Beschränktheit, denn man merkt es nicht einmal. Man merkt nicht, dass man im Handhaben all dieser Meinungen die Beschränktheit handhabt.
Darum ist das Führen einer Diskussion meistens ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen. Denn es ist nun einmal das Kennzeichen des modernen Verstandes, dass er beschränkt ist und vor allem beschränkt sein will.
Nach diesem Intermezzo einer Besinnung werde ich dann in meinem nächsten Blog wiederum versuchen, die Entwicklung der lebenden und fühlenden Wesen, der Tiere und des Menschen, nicht von der einfachsten zur vollkommensten Tierart, dem Homo sapiens, zu denken, sondern eine auf das Entstehen des Menschen gerichtete Entwicklung zu denken. Diese Entwicklung vollzieht sich dann ausgehend vom Ideal zu einem vollkommen ethischen menschlichen Wesen.
Place Charles de Gaulle, ParisÜber das Schreiben. Von der Vollkommenheit zur Beschränktheit Von Mieke Mosmuller