Verschwörungs-Denken

Nach einer ausführlichen Reflexion über die moralische Intuition, die wir als menschliche Wesen empfangen und im Leben verwirklichen können, indem wir mit den Engeln in unserer Seele zusammenleben, möchte ich auf das Thema zurückkommen, das uns beschäftigt: die Corona-Krise. Die vierwöchige Reflexion über die Frage "Was tut der Engel in unserem Astralleib?" war natürlich kein anderes Thema. Aber ich möchte nun eine andere Frage stellen, und zwar die Frage nach dem Phänomen des Verschwörungsdenkens oder der Verschwörungstheorie. Ich halte es für wichtig, dieses Wort näher zu betrachten.

Wenn man sich Videos auf YouTube anschaut, die von Menschen gemacht wurden, die sich gegen die Corona-Maßnahmen wenden, sieht man unterschiedliche Dinge. Man sieht Menschen, die sich nicht scheuen, ihre Verschwörungstheorien überhaupt aufzudecken. Man sieht auch Menschen, die ihre Ablehnung der Corona-Maßnahmen rational und wissenschaftlich untermauern, die dann aber in den Medien trotzdem als Verschwörungsdenker abgetan werden. Man sieht jedoch auch Menschen, die – und das finde ich am auffälligsten in den Niederlanden, aber ich habe auch den direktesten Zugang dazu, weil es sich oft um bekannte Personen handelt – so handeln und sprechen, dass sie sich klar gegen die Corona-Maßnahmen aussprechen, dies aber so tun, dass sie jeden Verdacht auf konspiratives Denken von vornherein unmöglich machen, indem sie betonen, dass die Regierungen auf der ganzen Welt aufrichtig sind, gute Absichten hatten, die dann zwar das Falsche bewirken, und die dann in ein bestimmtes Fahrwasser geraten sind, aus dem sie nicht mehr herauskommen konnten, und dann Maßnahmen vorantreiben, die nicht mehr zu rechtfertigen sind und auch nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Diese letzte Form des Widerstands ist besonders angenehm, denn das Bild einer Menschheit, die auf der Grundlage guter Absichten handelt, obwohl trotzdem das Falsche passieren kann, ist ein erfreulicheres Bild als das Bild des Verschwörungstheoretikers, nämlich dass böse Absicht im Spiel ist.

Nun habe ich mich im Laufe der letzten Jahre gefragt, wie es eigentlich dazu kam, dass Verschwörungsdenken mehr oder weniger mit Kriminalität oder – ich weiß nicht, was schlimmer ist – paranoidem Wahnsinn gleichgesetzt wird. Man möchte wirklich kein Verschwörungsdenker sein, denn dann ist man raus, man ist völlig lächerlich, man leidet an einer paranoiden Wahnvorstellung, so wird das ja beurteilt. Wir haben auch in anthroposophischen Kreisen gesehen, dass gewissen anthroposophischen Nachrichtenmedien dieses Verschwörungsdenken vorgeworfen worden ist, und auch dort habe ich bemerkt, dass sich die betreffenden Zeitschriften dagegen gewehrt haben, und ich frage mich, warum? Was ist so schlimm daran, dass man im Verlauf des Weltgeschehens einen gewissen bewussten Willen erfährt? Wäre es nicht besser, diesen Standpunkt zu erklären, anstatt sich der öffentlichen Meinung anzuschließen, dass man schlecht ist, wenn man so denkt und so forscht?

Nun verstehe ich andererseits auch den schlechten "Namen", denn Verschwörungstheorien, die davon ausgehen, dass es bestimmte Machtimpulse in der Welt gibt, zeigen oft unnachahmlich wilde Fantasien, die sich auch im weiteren Verlauf der Ereignisse als falsch erweisen. Aber die Menschen irren sich nun einmal, auch in der Mainstream-Wissenschaft gibt es ja Irrtümer. Manchmal kann man auch Theorien über historische Ereignisse lesen, die so erklärt werden, dass man glaubt, der Autor sei verrückt geworden – und dann wird er oder sie promoviert.

Aber ich möchte noch einmal auf die Frage zurückkommen: Wie konnte es geschehen, dass bei der Betrachtung des Weltgeschehens mit der Frage: Steckt ein gewisser bewusster Wille dahinter, der Anschein von Verbrechen oder Wahnsinn des Fragestellers entstanden ist?

Wenn wir in die Zeit des Ersten Weltkrieges zurückgehen, so finden wir im Verlauf dieses Ersten Weltkrieges und auch danach eine Vortragsreihe von Rudolf Steiner, in der er klar aufgezeigt hat, wie das Weltgeschehen zustande kommt, und ich habe hier schon einmal in einer Zeile gesagt: Bei Rudolf Steiner sehen Sie, dass dieses Verschwörungsdenken völlig rational begründet und nachvollziehbar ist, auch gut dokumentiert. Es gibt einen umfangreichen Zyklus "Die zeitgeschichtlichen Betrachtungen" (GA 173, 174, 174a und 174b), in dem die Hintergründe des Weltgeschehens beleuchtet werden. Wenn Sie diese Vorträge aufnehmen, müssen Sie nach heutigen Maßstäben sagen, dass es sich dabei um Verschwörungsdenken handelt. Dennoch war die Person, die es aussprach, nicht gerade kriminell oder geisteskrank. In der Neuauflage dieser Vorträge wurde versucht, den Schein des Verschwörungsdenkens zu beseitigen, aber das ist nicht gerecht, denn wieder einmal finden wir in diesen Vorträgen eine sehr aufrichtige, fundierte Auseinandersetzung mit den Hintergründen des Weltgeschehens.

Wenn man anfängt darüber nachzudenken, ist es natürlich klar, dass man es überall, wo man mit menschlichen Organisationen zu tun hat, es mit Gedanken und Ideen, mit Plänen zu tun hat, die Menschen verfolgen, um bestimmte Ziele zu erreichen. Jede politische Partei hat ein Programm, und ohne dieses Programm kann man nicht einmal eine politische Partei gründen. Nur sind die Punkte, die angestrebt werden und realisiert werden wollen, vollständig öffentlich.

Aber dass es Willensrichtungen in der Welt gibt, ist in der Politik ohnehin offensichtlich. Und es ist ganz klar, dass mit diesen Willensrichtungen nicht immer gerecht umgegangen wird. Die Frage ist nur, ob es auch geheime Willensrichtungen gibt und wer diese dann hat.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben wir zum Beispiel die Filme von James Bond kennengelernt. In diesen Filmen gibt es eine bestimmte Organisation, in dem ein Mann mit einer Katze auf dem Schoß nach der Weltherrschaft oder nach der Zerstörung der Welt strebt, oder nach der Zerstörung eines Teils der Welt zugunsten des anderen. Ich glaube, dass dort etwas offenbart wird, das auf das Reich der Fantasie weist, weil 'es nur Film ist', das aber andererseits bestimmte Ansichten in der Menschheit nährt.

Natürlich würde man das nicht wollen, dass es eine Geheimorganisation gibt, die nach Macht in der Welt strebt, und man wäre froh, dass es einen so vertrauenswürdigen britischen Geheimdienst mit Leuten im Dienst gibt, die es jedes Mal gerade noch rechtzeitig schaffen, das zu vereiteln.

Das ist nur eine Geschichte, und so gibt es mehrere Geschichten, verfilmte Geschichten. Dan Brown ist auch ein Erfolgsautor solcher Geschichten, die ebenfalls verfilmt wurden.

Ist der Gedanke wirklich so wahnsinnig, dass es bestimmte Gruppen in der Welt gibt – vielleicht könnte man sie Thinktanks nennen, aber nicht so sehr im Vordergrund –, die sich um den Verlauf der menschlichen Entwicklung sorgenund die den festen Willen haben, die Weltentwicklung so zu steuern, wie sie das wollen. In der Politik kennen wir das auch.

Dort ist alles öffentlich, und wir denken nicht an bestimmte Verschwörungen, wenn in der Politik eine Strategie gebildet und durchgeführt wird. Aber ist es wirklich so absurd zu glauben, dass es andere Gruppen gibt, die aus unterschiedlichen Willensrichtungen Ideen darüber bilden, wie die Entwicklung der Menschheit auf der Erde, in der Politik, aber auch in der Wissenschaft und in der Wirtschaft gesteuert werden kann? Vielleicht sogar, was die Spiritualität betrifft? Vielleicht auch gute Willensrichtungen? Geheime Willensrichtungen? Wir sehen jetzt einige Gruppierungen in die Öffentlichkeit treten. Könnte es nicht auch okkulte Gruppierungen geben?

Wenn man das für nicht unwahrscheinlich hält – aber dann ist man ja schon ein Verschwörungsdenker, und wer will das schon sein, denn das ist die Entehrung der Vernunft – dann stellt sich natürlich die Frage: Wie werden diese Willensrichtungen letztlich realisiert? Wie geschieht das?

Nun ist es klar, dass, wenn so etwas existiert, es nicht öffentlich ist. Und der beste Weg, es dabei zu belassen, besteht darin, jeden lächerlich zu machen, der auf die Idee kommt, dass so etwas existieren könnte, und zwar so, dass seine Stimme in der Weltordnung keinen Wert mehr hat.

Auf diese Weise läge es genau auf dem Weg dieser geheimen Willensrichtungen selbst, dafür zu sorgen, dass Verschwörungsdenken als idiotisch oder kriminell deklariert wird. Auf diese Weise kann man es auch andersherum sehen, und sagen: Die Tatsache, dass man es so weit getrieben hat, dass man sofort radikal zur Seite schiebt, was auch nur einen Hauch von Verschwörungsdenken aufweist, kann als Beweis dafür angesehen werden, dass es geheime Verschwörungen gibt.

Natürlich laufe ich jetzt selbst Gefahr, in diese Gruppe gesteckt zu werden, aber als spirituell denkender Mensch hat man dieses Risiko sowieso, also nehme ich das in Kauf und werde meine Gedanken zu diesem Thema beim nächsten Mal weiterentwickeln.