Wir nehmen gerade ein weiteres Video auf. Natürlich war während der Corona-Krise alles so schwierig, dass viele Leute wie ich dazu neigten, von Zeit zu Zeit in der Öffentlichkeit etwas darüber zu sagen. Diese Zeiten sind jetzt zum Glück erstmal vorbei und wir beschäftigen uns jetzt mit anderen aktuellen Themen. Das Wichtigste sind natürlich die beiden Kriege, die in der Welt toben, und ich wollte meine Gedanken dazu mitteilen. Nicht im Sinne einer Parteinahme, sondern vielmehr über das Phänomen der menschlichen Kriegsführung an sich. Als ich ein kleines Mädchen in Amsterdam war, ging ich oft mit meiner Mutter ins Cineac in der Reguliersbreestraat. Dort gab es ein fortlaufendes Programm. Ich weiß nicht, warum sie das tat, denn sie verabscheute Fernsehen und Filme und solche Dinge. Aber sie tat es, und wir sahen uns dort ein Programm an, und es war immer eine Nachrichtensendung, eine Wochenschau, und es gab auch Naturfilme, vielleicht dachte sie, das wäre gut für das kleine Mädchen. Auf jeden Fall habe ich dort eine gewisse Weisheit erlangt - vielleicht darf ich das so sagen -, denn was ich in diesen Naturfilmen, die damals meistens von Tieren handelten, sehr stark aufnahm, war das Machtprinzip im Tierreich. Was man da sah, war eigentlich die ständige Terrainverteidigung und der Kampf um die Macht innerhalb der Art, aber dann auch der Kampf um die Macht im Territorium. Das hat sich mit meiner Erinnerung verbunden, und wenn ich jetzt beobachte, was alles an Kriegsdrohungen passiert, dann kommt das natürlich wieder sehr stark hoch, weil man sieht, dass im Menschen etwas vorhanden ist, was so tierisch ist, dass es dazu führt, dass man einerseits versucht, Macht innerhalb der Art zu bekommen und andererseits die Terrainverteidigung. Ich finde es eigentlich immer sehr schwierig, wenn ich sehe und höre, dass Menschen sich auf solche Prozesse einlassen, Menschen in einer zivilisierten Welt, das sind wir ja mittlerweile schon. Dass dieses tierische Prinzip immer noch so stark vorherrscht, von Zeit zu Zeit, ist immer noch sehr schwierig und dann redet man gar nicht über die Katastrophen, die sich dann im persönlichen Leben der Menschen abspielen. Das ist natürlich wirklich etwas Schreckliches. Was ich dann besonders stark erlebe, ist, dass in den Medien eine gewisse Stimmung erzeugt wird, dass ein Krieg, ein Weltkrieg, unmittelbar bevorsteht. Nun habe ich als Arzt immer gelernt, dass man nach dem Prinzip "Hoffnung gibt Leben" solche schlimmen Szenarien nicht denken sollte, weil man sie sozusagen auf sich zieht. Nun ist das natürlich vielleicht eine etwas spirituelle Sichtweise, die man bei Politikern nicht anwenden kann. Aber wir als Menschen, die, sagen wir mal, die Medien ertragen müssen, können natürlich über diesen Prozess nachdenken und uns bewusst werden, dass, wenn man anfängt, Angst zu haben, dass so etwas, worüber ständig gesprochen wird, dass das passieren wird, dass diese Angst an sich ein verstärkender Faktor ist. Das ist die eine Sache. Auf der anderen Seite ist man mehr oder weniger gezwungen, sich für eine bestimmte Partei zu entscheiden, wie bei einem Fußballspiel, wo man für Ajax und nicht für Feyenoord ist. So muss man also seinen Standpunkt in der großen Weltordnung einnehmen, dass man für den einen und gegen den anderen ist. Wir haben also völlig vergessen, dass es in beiden Fällen eigentlich um Menschen geht mit ihrem individuellen Leben, ihren Familien und Sorgen und Glück. Das spielt im Krieg nicht mehr die Hauptrolle. Es geht dann um andere Dinge und so muss man sich als Mensch offenbar für das eine oder das andere Lager entscheiden. Das ist natürlich ein bekanntes Phänomen in der Geschichte, das im Laufe der menschlichen Entwicklung durchaus verständlich ist. Aber wenn wir als zivilisierte Menschen, die einen Zweiten Weltkrieg hinter sich haben, der Geschichte ist - wenn wir jetzt unsere Position zum Krieg bestimmen müssten, würden wir eigentlich sagen, dass wir die Positionen, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg eingenommen wurden, nämlich dass so etwas auf keinen Fall wieder passieren darf, hochhalten wollen und mit aller Kraft versuchen, dass so etwas nicht wieder passiert. Wir haben als Menschen keine Ahnung mehr, wie stark wir selbst, jeder für sich, das Geschehen der Weltgeschichte mitbestimmen. Ich habe hier bereits ein Video über die Rolle des Menschen beim Rückgang des Lebens in der Natur aufgenommen. Ebenso haben wir als Menschen, jeder für sich, auch eine Rolle bei der Ausprägung der menschlichen Aggressivität, die dann letztendlich zum Krieg führt. Ich glaube fest daran, dass die Aggression, die in jeder menschlichen Seele lebt, überwunden oder gestärkt werden kann. Dass es diese Aggression ist, die letztlich zu Kriegen führt. Auch hier sehe ich uns als Menschheit immer noch als zivilisierte Menschen, die - das heißt, wir sind zivilisierte Menschen, die nicht mehr bei jeder Gelegenheit sofort in Wut ausbrechen, sondern dass wir eine Fähigkeit in uns entwickelt haben, dann vielleicht bestimmte Emotionen zu haben, aber sie nicht sofort in Handlungen umzusetzen. Wenn man sich den Krieg anschaut, dann sieht man eigentlich, dass das Gegenteil passiert und dass das tatsächlich mehr oder weniger als Vaterlandsliebe angepriesen wird, zum Beispiel. Auch das mag in der Weltgeschichte, in der menschlichen Entwicklung einen Platz haben, aber es scheint mir, dass es in unserer Zeit keinen Platz mehr hat - auch weil die Menschheit über bestimmte Kampfmittel verfügt, die eine solche Zerstörungskraft in sich haben, dass man weiß: Ja, wenn das einmal losbrennt, dann ist es vorbei mit der Menschheit auf der Erde. Das zwingt uns auch zu einer gewissen Zivilisation. Aber ich möchte viel mehr auf uns selbst schauen. Wenn wir uns als Menschen weiterhin erlauben, urteilend und aggressiv zu werden gegenüber Menschen, die anders denken, anders fühlen und anders wollen als wir, dann führen wir in der Tat ständig einen Kleinkrieg. Dann kann man jammern und wehklagen, wenn man sieht, wie die Soldaten aufeinander losgehen und sich gegenseitig die schrecklichsten Dinge antun, aber man vergisst, dass man im Kleinen die gleichen Vorgänge in der eigenen Seele in einer gewissen Grausamkeit auslebt. Und wiederum, so wie der Mensch ein Geschöpf der Natur ist und als Geschöpf der Natur die Natur in ihrer Entwicklung mitbestimmt, so ist der Mensch auch ein politisches Geschöpf - das hat schon Aristoteles mit seinem Begriff des zoön politikon proklamiert, der Mensch ist ein politisches Tier, kein Mensch, sondern er ist in tierischer Form in einer 'Seelenform' sozusagen eigentlich noch wild, aber mit Hilfe der Maske der Politik, die der Mensch als anständig auszugeben weiß. Ja, so wird Weltpolitik gemacht. Deshalb lautet mein Appell heute: Leute, lasst uns nicht alles außerhalb von uns selbst stellen und lasst uns sehen - und das ist wirklich in jeder menschlichen Seele - dass es eine Quelle der Aggression gibt, die Kriege möglich macht. Wenn es diese Quellen nicht gäbe, könnte es keinen Krieg geben. Im Tierreich gibt es diese Territorialverteidigung, weil sie ein Instinkt ist. Sicherlich sind wir Menschen über unsere Instinkte weitgehend hinausgewachsen. Wir müssen sie erkennen, und wir müssen sie nutzen, wenn sie gut sind, und sie bekämpfen, wenn sie schlecht sind. Das ist also mein Appell: Mensch, erkenne dich selbst und beginne aus dieser Selbsterkenntnis heraus das Weltgeschehen zu betrachten. Geht davon aus, dass es keinen Krieg geben kann, wenn genügend Menschen in sich selbst erkennen, dass die Kriegslust in der persönlichen menschlichen Seele wohnt!
Krieg und Frieden Von Mieke Mosmuller